Eier, Lämmer und der böse Hering – Fünf kulinarische Ostertraditionen aus ganz Europa

Die Deutschen suchen bunte Ostereier und essen Lammbraten, aber wie feiern eigentlich Italiener, Schweizer und Iren?

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TEXT Nick Pulina | TITELFOTO Haley Owens

Wer an Feiertage und alljährlich wiederkehrende Traditionen denkt, dem kommt wohl als Erstes die Weihnachtszeit in den Sinn. Die drei bis vier Wochen lang zelebrierte Adventszeit steigert die Vorfreude auf die eigentlichen Festtage. Dagegen tritt das Osterfest fast schon in den Hintergrund. Völlig zu Unrecht, wie wir meinen. Denn gerade zur frühlingshaften Osterzeit gibt es viele schöne und vor allem leckere Bräuche, die wir nicht missen möchten. Wir haben uns einmal in Deutschland und im europäischen Ausland umgehört und fünf kulinarische Ostertraditionen genauer unter die Lupe genommen.

FOTO Passover

1. Das tierleidfreie Opfertier

Das Lamm gehört hierzulande neben Nest und Ei zum festen Oster-Ensemble. Sein symbolischer Ursprung findet sich in der Bibel im Bild des „agnus dei“, des Lamms Gottes. Diese Metapher für Jesus, der nach christlichem Glauben wie ein Opferlamm die Sünden der Menschen auf sich genommen hat und für sie gestorben ist, ist seit jeher ein fester Bestandteil des Osterfestes. Zunächst nahm man den Brauch allerdings wörtlich und opferte am Karfreitag ein echtes Lamm, das dann am Ostersonntag als Festmahl verzehrt wurde. Im Laufe der Jahrhunderte nahm der Konsum von Lammfleisch in unseren Breitengraden mehr und mehr ab. Dafür gab es immer öfter das aus Rührteig gebackene und mit Puderzucker oder Baiser verzierte Osterlamm. Viele backen es zu Ostern auch selbst.

FOTO Massimo Adami

2. Ein österliches Picknick im Grünen

„Weihnachten mit der Familie, Ostern mit wem du willst“, besagt ein italienisches Sprichwort. Zwar wird auch in Italien der Ostersonntag meist mit einem üppigen Festmahl im Kreise der Familie gefeiert. Der Ostermontag hingegen, die sogenannte ‚Pasqualina’, wird weniger förmlich begangen. Dann zieht es die Italienerinnen und Italiener meist ins Grüne. Mit vollgepackten Autos und Kofferräumen (Picknickkörbe, Weinflaschen und Decken müssen schließlich irgendwie transportiert werden) geht es gemeinsam mit Familie, Freunden und Bekannten zu einem Ausflug in die Natur. Dass sich im Picknickkorb nicht nur die Reste des sonntäglichen Osteressens befinden, ist Ehrensache. Stattdessen wird speziell für die Pasqualina gekocht, zum Beispiel die herzhafte Torta Pasqualina, für die uns die Münchner Feinkosthändlerin Graciela Cucchiara kürzlich ihr Rezept verraten hat. Und natürlich der (mehr oder weniger) taubenförmige Kuchen Colomba Pasquale. Während erstere mit ihren 33 Teigschichten – eine für jedes Lebensjahr Jesu – und der Füllung aus Spinat, Ricotta und Eiern kulinarische Frühlingsgefühle weckt, ist die Colomba Pasquale eher eine süße Versuchung mit Mandeln und Hagelzucker, die an den zu Weihnachten gebackenen Panettone erinnert.

FOTO iStock

3. Wurzelgemüse mit Zuckerguss und Marzipan

Ursprünglich hatte die Schweizer Rüeblitorte wenig mit dem Osterfest zu tun. Doch in den vergangenen zweieinhalb Jahrhunderten entwickelte sich diese Form des Karottenkuchens immer mehr zu einem festen Bestandteil der österlichen Kaffeetafel, der weder in der Schweiz noch in Deutschland wegzudenken ist. Die geriebenen Möhren im Teig machen die Rüeblitorte zu einer stets saftigen und deshalb auch für Anfänger leicht zu backenden Köstlichkeit, die inzwischen sogar schon in den USA ihren Siegeszug angetreten hat. Im Gegensatz zur Schweizer Version, die mit einer dünnen Schicht Zuckerguss und ein paar niedlichen Marzipan-Rüebli vergleichsweise spartanisch daherkommt, setzt man jenseits des Atlantiks auf oft mehrbödige Exemplare, die mit massig dickem Frischkäse-Frosting gefüllt werden. In Brasilien, wo der Karottenkuchen traditionell nur mit ein wenig Schokolade überzogen wird, ist er so tief in der Kultur verankert, dass es sogar einen eigenen Nationalfeiertag für ihn gibt. Dieser fällt mit dem 3. Februar zwar nicht direkt in die Osterzeit, kann aber schon als ein erster österlicher Vorbote verstanden werden.

FOTO Aphiwat Chuangchoem

4. Das Dilemma mit dem Ei

Zu Ostern umgeben sie uns in allen Variationen: die Eier. Ob klassisch als gefärbtes oder bemaltes Hühnerei, in der Schokoladenvariante oder als hübscher kleiner Schmuck auf Tischen und Servietten. Das Ei steht für Ostern wie nicht einmal sein Bote, der Hase. Doch die Idylle scheint zu trügen. Nur noch ein Ei pro Woche solle man essen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Dass Eier Lieferanten von wertvollem Protein, Vitaminen und Spurenelementen sind, wird gern einmal vergessen, denn über allem schwebt das Totschlagargument Nr. 1: Cholesterin. Doch ganz so eindeutig ist das nicht. Die Studienlage ist schwammig und, so Ulrich Laufs vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung gegenüber der Rheinischen Post: „Die Regulation des Cholesterinspiegels im Blut erfolgt in erster Linie durch die Leber und nicht durch die Ernährung.“ Mit anderen Worten: Wer am kommenden Wochenende seine Osternester erfolgreich gefunden und eingesammelt hat, sollte sie nach Herzenslust plündern. Schließlich ist Ostern auch nur einmal im Jahr. Apropos: Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft isst jede und jeder Deutsche viereinhalb Eier pro Woche – Tendenz steigend!

FOTO Nathaniel Grogan

5. Die Iren und ihr Hass auf Hering

Es ist wohl die skurrilste Ostertradition des europäischen Kontinents: das Heringsbegräbnis im Süden Irlands. Zwar haben unsere Recherchen für dieses Jahr keine Hinweise auf ein solches Ereignis ergeben. Das Ritual ist aber mindestens seit der Jahrhundertwende um 1800 bekannt – das ist durch zahlreiche Quellen belegt und überliefert. Je nach Region – alles spielt sich rund um die südirische Stadt Cork ab – wurde am Ostersamstag oder Ostersonntag im Anschluss an die kirchliche Messe von den Metzgern und Angestellten der lokalen Schlachthäuser ein Hering (manchmal auch mehrere) an eine über zweieinhalb Meter lange Rute gebunden und unter wüsten Beschimpfungen der Bevölkerung durch die Straßen getragen. Dabei wurde der Fisch nicht nur angeschrieen, es wurde auch mit aller Kraft auf ihn eingeschlagen. Die Überreste des Herings wurden dann in einem nahegelegenen Gewässer „ertränkt“, und an die Rute kam stattdessen ein Osterlamm, das schließlich bunt geschmückt und begleitet von Musik, Tanz und Gesang durch die Straßen getragen wurde. Wer will es den Iren verdenken? Der Hering galt auf der grünen Insel aufgrund seiner guten Verfügbarkeit jahrhundertelang als die meistverbreitete Armenspeisung. Verständlich, dass man sich nach der wochenlangen Fastenzeit nach einem schönen Stück Fleisch sehnte und dem Fisch einmal für einen kurzen Moment den Rücken kehren wollte. Und die Motivation der Fleischer und ihrer Mitarbeiter liegt nach 40 Tagen der Umsatzeinbußen ebenfalls auf der Hand.

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