„Der Geschmack steht bei mir immer im Vordergrund“

Serie: Die besten Erzeuger Deutschlands – Schwarzwald MISO

TEXT Nick Pulina | FOTO Schwarzwald MISO

Haben Sie schon mal von Maggi aus Kambodscha gehört? Von Hoisin-Soße aus Liechtenstein oder von Ahornsirup aus Polen? Wir auch nicht! Im Schwarzwald findet sich allerdings jemand, der es gewagt hat, in den internationalen Würzsoßendialog einzutreten: Peter Koch, auch bekannt als der Miso-Peter, mit seinem Unternehmen Schwarzwald MISO. Er stellt als einer von ganz wenigen die beliebte japanische Würzmasse auf deutschem Boden her – aus möglichst regionalen Produkten nach dem Rezept eines echten Zen-Meisters. Dass dabei auch Lupinen oder Alblinsen den Weg in die Würze finden, ist nur konsequent.

Woher Miso ursprünglich stammt, ist nicht final geklärt. Aber egal, ob es nun von China oder der koreanischen Halbinsel nach Japan gelangte, die fermentierte Würzpaste ist aus der japanischen Küche nicht mehr wegzudenken. Als intensive Umamikomponente verleiht sie auch abseits ihres hohen Salzgehaltes einer Vielzahl von Gerichten haptische und aromatische Fülle und Tiefe. Längst wird auch in deutschen Spitzenküchen mit Miso gekocht, auch abseits der japanischen Cuisine. Lange Zeit musste das Produkt entweder umständlich von dem asiatischen Inselstaat importiert oder in teilweise recht zweifelhafter Qualität aus dem Asia-Supermarkt bezogen werden. Das ist nun vorbei – dank Peter Koch und dessen Mutter.

Sie war es nämlich, die ihren Sohn in die Geheimnisse der Misoherstellung einweihte. Zuvor war sie im Schwarzwald einem japanischen Zen-Meister begegnet und hatte sich in einem von ihm angebotenen Kochkurs selbst intensiv mit dem Produkt auseinandergesetzt. Peter, der nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums für einige Zeit mit dem Rucksack in Südostasien unterwegs war, machte auch einen Abstecher nach Japan, um sich dort von alteingesessenen Miso-Profis weitere Handgriffe abzuschauen. Ohnehin war er auf der Suche nach einer sich stimmig anfühlenden Idee, um nach dem Studienabschluss in die Geschäftswelt einzusteigen. Er fand sie in der Fermentation.

Im Jahr 2013 ging es dann richtig los. Mit der Gründung von Schwarzwald-MISO wurde aus Peter Koch der Miso-Peter und aus Geisingen an der Schweizer Grenze die deutsche Miso-Hauptstadt. Koch verwendet in seinem Betrieb ausschließlich biozertifizierte Grundprodukten aus möglichst lokalem Anbau. So stammen Gerste und Sojabohnen vom Bodensee, die Lupinen aus Wertheim und die Alblinsen aus Lauterbach. Das verwendete Urmeersalz ist garantiert frei von Mikroplastik und das Wasser kommt natürlich aus Schwarzwälder Quellen. Lediglich der Reis muss zwei Landesgrenzen überqueren, bis er in Geisingen ankommt, jedoch stammt auch er von einem Biobauern in der norditalienischen Po-Ebene und muss keine halbe Weltreise zurücklegen, um verarbeitet zu werden.

Dass in dem zu einhundert Prozent durch CO²-neutrale Wasserkraft versorgten Betrieb alles in aufwendiger Handarbeit geschieht, steht für den Miso-Peter ebenso außer Frage wie der konsequente Verzicht auf hinzugegebene Geschmacksstoffe. Neben handwerklichem Talent und einem Gespür für sein Produkt braucht er vor allem eines: Geduld. Je nach Grundstoffen und angestrebter Geschmacksrichtung dauert es im Schnitt ein Jahr, bis die Misopaste verkaufsfertig ist. Um (nach der klassischen Rezeptur) aus Reis und Sojabohnen Miso herzustellen, braucht es zwei essenzielle Fermentationsschritte. Zuerst wird der gegarte Reis mit einer Pilzkultur beimpft, zwei bis drei Tage stehen gelassen (erste Fermentation) und die Koji genannte Pilz-Grundmasse dann mit den fein zerkleinerten Sojabohnen vermengt. Die dabei entstandene Masse wird unter möglichst geringem Lufteinschluss in locker verschlossenen Holz- oder Plastikfässern der zweiten Fermentation übergeben, die viel Zeit benötigt.

Gut Ding will Weile haben, so ist es auch bei Schwarzwald-MISO. Nicht umsonst reißen sich einige Haubenköche förmlich um die charaktervollen Erzeugnisse aus Geisingen. Die Liste der hochdekorierten Abnehmer ist zu lang, um sie hier in Gänze einzufügen, aber auf ihr finden sich Namen wie Henkel, Hagen-Wiest oder Merkle. Das freut auch den Miso-Peter: „Immer mehr Köche verstehen, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten von Miso sind. Besonders einem vegetarischen Gericht kann es eine geschmackliche Tiefe verleihen, die sonst nur durch lang ausgekochte Fonds entsteht. Außerdem kann man viel fettreduzierter kochen, wenn Miso verwendet wird. Es ist ebenso Geschmacksträger, steuert Bindung und Konsistenz bei, hat aber viel weniger Kalorien.“

Neben den klassischen Misopasten hat Peter Koch noch eine ganz eigene Spezialität entwickelt: Miso in Pulverform. Dazu lässt er seine Pasten gefriertrocknen und erlangt ein Produkt, das sich als gut zu dosierende Trockenwürze über Gerichte streuen und auch gefahrlos auf Ausflüge mitnehmen lässt. Ein besonderer Tipp: Das Misopulver aus Lupinen fungiert über eine Pasta gerieselt als spannende (und vegane) Alternative zum Parmesan.

Auch abseits seiner geschmacklichen Stärken werden Miso immer wieder weitgreifende Fähigkeiten attestiert. Das Internet ist voll von Lobpreisungen auf die vermeintlich gesunden und heilenden Fähigkeiten des Produkts. Von einem hohen Eiweißgehalt wird hier gesprochen, von Probiotika, von die Verdauung unterstützenden Enzymen und vielem mehr. Fragt man Peter Koch, warum er jeden Morgen und jeden Abend eine Misosuppe trinkt, ist die Antwort charmant geerdet: „Sie schmeckt mir einfach. Der Geschmack steht bei mir immer im Vordergrund.“