10 Fragen an … Martin Waßmer – Ausgezeichnet für die Kollektion des Jahres 2024

„Meine Liebe zum Wein kam über die Liebe zum Kochen“

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INTERVIEW Nick Pulina | FOTO Marcel Bischler

Erdbeerbauer, Spargelbauer, Winzer – Die Landwirtschaft ist die große Leidenschaft von Martin Waßmer. Doch seine größte Liebe gilt dem Weinbau. Im badischen Bad Krozingen, idyllisch zwischen Freiburg und der französischen Grenze gelegen, baut der 62-Jährige rote und weiße Spitzengewächse aus, die ihm endgültig einen Platz in der Ruhmeshalle der deutschen Burgunderkönige zusichern. Seine Weine, besonders jene aus Top-Lagen wie dem Dottinger Castellberg oder dem Achkarrer Schlossberg, strahlen – bei allem Charme – stets ein gebührendes Selbstbewusstsein aus, sind geprägt von sprichwörtlicher Saftigkeit, enormem Tiefgang und jener burgundischen Verspieltheit, aus der der feinste Stoff der Träume gewoben wird. Im neuen Gault&Millau Weinguide 2024 wurde Martin Waßmer daher für die beste Kollektion des Jahres ausgezeichnet.

Wir sprechen mit ihm über die Philosophie hinter seinen Weinen, den Unterschied zwischen Spätburgunder und Pinot Noir und die Frage, ob wirklich aus jeder Rebsorte spannender Wein gekeltert werden kann.

1. Herr Waßmer, Spargel, Erdbeeren, Weinbau auf Weltniveau – Wie geht das zusammen?

Das geht dadurch zusammen, dass ich gemerkt habe, dass letzten Endes die Liebe zum Wein am größten ist. Der Weinbau ist mittlerweile mein Hauptzweig, mit dem ich auch die meiste Zeit verbringe. In dem Landwirtschaftsbetrieb meiner Familie wurde zwar schon immer Wein angebaut, aber in die Selbstvermarktung bin ich erst 1997 gegangen. Davor haben wir an eine Genossenschaft geliefert. Meine Liebe zum Wein kam über die Liebe zum Kochen. Ich bin gelernter Koch und Essen und Wein sind schließlich die perfekte Symbiose.

2. Im neuen Gault&Millau Weinguide 2024 wurden Sie für die beste Kollektion des Jahres ausgezeichnet. Was macht für Sie persönlich eine gute Kollektion aus?

Eine gute Kollektion hat keine Ausreißer nach unten und steht insgesamt auf einem hohen Niveau. Das ist auch der Anspruch an meine eigenen Weine: Egal ob Gutswein, Lagenwein oder Grand Cru – es muss immer die möglichst beste Qualität sein. Und das fängt schon im Weinberg an. Wir arbeiten naturnah und nachhaltig, mit extremer Ertragsreduzierung und ohne Pflanzenschutz im Bodenbereich. Nur wenn hier schon alles stimmt, können wir am Ende durchweg gute Qualitäten auf die Flasche bringen.

3. In Ihrem Portfolio finden sich sowohl Spätburgunder als auch Pinot Noirs. Ist das nicht dasselbe?

Natürlich, letzten Endes ist das nur eine Bezeichnung. Bei uns hat das allerdings etwas mit den Rebstöcken an sich zu tun: Wir haben viele Klone aus dem Burgund, aber auch alte deutsche Klone. In der Regel nennen wir Weine aus den französischen Klonen dann Pinot Noir und die aus den deutschen Klonen Spätburgunder. Aber da gibt es auch Überschneidungen.

Mittlerweile bekommt man ja manchmal den Eindruck vermittelt, dass nur burgundische Rebklone wirkliche Spitzenleistungen erbringen. Aber für mich hat jeder seine Eigenart. Wir haben sowohl deutsche Reben, die inzwischen 40 bis 45 Jahre alt sind, kleinbeerige Trauben hervorbringen und strukturierte, interessante Frucht mit sich bringen. Weine aus den französischen Klonen brauchen in der Regel etwas mehr Zeit, um sich zu entwickeln, aber grundsätzlich liegen da auch keine Welten zwischen. Ich dachte lange, dass die Bezeichnung Pinot Noir im Ausland vielleicht besser angenommen würde, aber es zeigt sich so langsam, dass dem gar nicht so ist.

4. Viele Deutsche Winzer nehmen sich französische Weine als Vorbild und möchten diesen dann mit ihren eigenen Gewächsen möglichst nahe kommen. Ist das auch Ihr Ansatz?

In der Weinwelt kommt man am Burgund natürlich nicht vorbei. Die deutschen Top-Betriebe stehen allerdings auch nicht schlecht da. Alle Ehre den burgundischen Spitzenbetrieben, aber man merkt auch im Export immer mehr, dass die Leute sehen, dass es auch hier bei uns großartige Pinots und Spätburgunder gibt. Natürlich haben wir in Deutschland noch nicht die Berühmtheit wie die großen Betriebe im Burgund, aber wer hätte denn hier vor 30-40 Jahren gedacht, dass wir einmal solche Qualitäten ausbauen können.

Für mich hat Frankreich zwar eine Vorbildfunktion, aber das Allerwichtigste für mich ist das Terroir meiner Lagen. Burgund hat seine Terroirs, wir haben unsere; Handschrift und Kulturführung sind wichtig. Ich will nicht, dass alles gleich schmeckt.

5. Für Ihre Weine aus der Lage Castellberg bekommen Sie regelmäßig Höchstwertungen. Was macht diesen Weinberg so besonders?

In den Castellberg habe ich mich vollkommen verliebt, als ich 2008 meine erste Fläche dort erworben habe. Mittlerweile konnte ich noch einige Parzellen drumherum zukaufen. Mich hat von Anfang an beeindruckt, was dieser Berg hervorbringt. Er bietet genau das, was ich mir wünsche: Terrassierung, aber trotzdem steile Lagen, und einen perfekten, steinreichen Boden für Spätburgunder. Der mag den Kalkmergel und die Kalkverwitterung besonders. Außerdem hat der Castellberg oben noch eine leicht eisenhaltige Schicht. Das ist alles sehr gut strukturiert und bringt Jahr für Jahr ein besonderes Terroir hervor. Mir ist dabei besonders wichtig, dass der Wein zwar immer top sein muss, er sich aber je nach Jahrgang auch mal einen Tick anders präsentieren darf. Das gehört für mich zum Terroir dazu.

6. Ihre Kinder Sabrina und Marvin sind auch als Winzer:innen bei Ihnen im Betrieb mit dabei. Wie gestalten Sie die Zusammenarbeit?

Marvin kümmert sich hauptsächlich um den Außenbetrieb und ist viel unterwegs. Nach seiner Ausbildung, unter anderem bei Julian Huber, ist er dann wieder zu uns in den Betrieb gekommen, wo er vor einem Jahr auch seinen Winzermeister gemacht hat. Er packt aber auch sonst an, wo es nötig ist. Sabrina ist jetzt seit sieben Jahren bei uns dabei, sowohl im Herbst bei der Lese als auch im Keller, in der Betriebsorganisation und im Vertrieb. Sie macht inzwischen auch ihren eigenen Wein. Der Plan ist schon, dass die beiden das Weingut irgendwann übernehmen; einige Jahre sind meine Frau Sabine und ich ja aber hoffentlich noch dabei (lacht).

7. Worauf dürfen wir uns bei Ihrem Jahrgang 2022 freuen?

2022 war kein schlechtes Jahr. Im Großen und Ganzen war es spürbar wärmer als 2021, wo die Weine einen Tick frischer geworden sind. 2022 wird eben etwas kräftiger, aber die Weine präsentieren sich trotzdem schön und elegant.

8. Was trinken Sie privat am liebsten?

Zu einem guten Chardonnay, Spätburgunder oder auch Weißburgunder sage ich nie nein. Meine Liebe für die ersten beiden ist zwar groß, aber einem gut gemachten Weißburgunder kann ich auch viel abgewinnen.

9. Und womit kann Sie niemand mehr aus dem Keller hervorlocken?

Ich mag es meistens nicht, wenn es zu kräftig wird. Sehr kräftige Spanier oder Amarone sind nicht immer ganz mein Ding. Aber ich bin immer an guten Weinen interessiert und glaube fest daran, dass jede Sorte etwas kann. Es gibt in jedem Bereich spannende Weine, man muss nur manchmal etwas länger nach ihnen suchen.

10. Essen Sie lieber auf der badischen oder elsässischen Seite der Grenze?

Ich kann zumindest nicht sagen, dass ich die französische Küche grundsätzlich vorziehen würde. Dafür liebe ich die badische Küche viel zu sehr. Es hat eben jede ihren eigenen Stil. Für mich ist wichtig, dass jemand gut kocht. Und das heißt nicht, dass für mich nur das edelste Essen den großen Genuss verspricht. Wenn das Produkt im Fokus steht und aus ihm das Beste rausgeholt wird, dann ist es ein tolles Essen, egal ob im Gasthaus oder im Gourmetrestaurant.