„Winzer und Schauspieler haben mehr gemeinsam als sie glauben“

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TEXT & INTERVIEW Nick Pulina | TITELFOTOS Linda Rosa Saal / Peter Bender / Soeren Stache

Berlinale, das ist ganz schön stressig für Schauspielerinnen, Regisseure und Besucher. Bleibt da noch Zeit für Genuss? Wir haben den Winzer Christoph Hammel und die Schauspielerin Minna Wündrich gefragt.

Berlinale, das klingt so mondän. Man trifft sich gemütlich auf ein Glas Champagner, fährt gemeinsam zur Weltpremiere eines bewegenden Films und lässt das Werk schließlich im Spitzenrestaurant über einem mehrgängigen Dinner Revue passieren. Oder?

Nun, die Realität sieht anders aus. Die echten Fans des größten Publikumsfilmfestivals der Welt kleben bereits drei Tage vor der jeweiligen Vorstellung um Punkt 10 Uhr vor ihren Laptops, um mit viel Glück und sekündlichem Neuladen der Webseite noch irgendwie an Tickets zu gelangen. Hat man es schließlich geschafft, kann von entspanntem Apéro und mehrgängigem Dinner nicht die Rede sein. Ist man doch froh, zwischen dem dritten und vierten Film des Tages schnell ein Brötchen aus der Bahnhofsbäckerei verdrücken zu können. Wenn ein Film aus ist, heißt es ab in die U-Bahn oder rein ins Uber, um zum nächsten Filmpalast zu eilen.


Wie sich der Berlinale-Alltag aus der Position eines leidenschaftlichen Zuschauers heraus gestaltet, weiß Christoph Hammel zu berichten. Der Winzer aus dem gleichnamigen Pfälzer Weingut Hammel (drei Trauben schwarz) ist seit beinahe zehn Jahren wiederkehrender Stammgast bei den größten deutschen Filmfestspielen.

FOTO Peter Bender

Herr Hammel, Sie sind seit 2015 immer wieder als Besucher auf der Berlinale vertreten. Was bringt Sie jedes Jahr wieder hierher?

Für mich als Privatperson ist die Berlinale wichtiger als die ProWein. Das ist eine Frage der Leidenschaft, die ich für den Film ebenso habe wie für den Wein. Da finden sich sowieso viele Parallelen: Es gibt für jeden Geschmack etwas; vom People Pleaser für jeden Tag bis hin zu Werken, für die man sein Abi nochmal neu machen muss. Und für mich hat beides seine Daseinsberechtigung. Kino und Wein haben viel mit Lust und Tagesform zu tun. Mir als Liebhaber ist es wichtig, nie die Breite meines Geschmacks zu verlieren. Ich liebe sowohl die Blockbuster als auch das alte französische Kino. Da gibt es kein Besser oder Schlechter, das gilt auch für Wein. Übrigens haben auch Winzer und Schauspieler mehr gemeinsam als sie glauben: Es geht darum, einem kreativen Prozess zuzugucken, der einen die Zeit vergessen lässt. Wenn man es schafft, die Konsumenten in eine andere Welt zu führen, dann hat man alles richtig gemacht.

Wie viele Filme schauen Sie sich auf dem Festival an?

Ich gucke so viele Filme wie möglich. Dass ich, wie jetzt gerade, einmal Zeit für einen entspannten Kaffee und eine Brezel habe, kommt eigentlich nicht vor. Mein Rekord sind sechs Filme an einem Tag, aber das mache ich nicht nochmal. Im Schnitt sind es jetzt drei bis vier. Je älter ich werde, desto schlimmer wird das mit der Sitzerei.

Raum, um nett essen zu gehen, ist da aber nicht, oder?

Das stimmt. Ich esse zwar immer mal wieder ein bisschen was, aber man sitzt ja eh die ganze Zeit und bewegt sich nicht. Da muss ich mich nicht noch drei Stunden ins Restaurant setzen. Ich gehe gern zum Asiaten um die Ecke, esse eine Phở, trinke einen Ingwertee und gut.

Also lieber kein Wein vor einer Filmvorstellung?
Nur selten. Aber nach einem Film brauche ich ihn manchmal. Nach In Liebe, Eure Hilde, dem neuen Film von Andreas Dresen, musste das sein. Der hatte das gesamte Publikum sehr gerührt, danach brauchte ich Alkohol. Ich werde auch in Filmen regelrecht wütend, wenn ich merke, dass irgendwo Menschen anderen ausgeliefert sind. So ging es mir damals auch nach dem großen Pasolini-Klassiker Die 120 Tage von Sodom. Als ich den damals in einem kleinen Wiener Programmkino – er stand ja eigentlich auf dem Index – geguckt habe, musste ich danach erst einmal zwei Drittel Rotwein exen. So war es dieses Mal auch.

Gibt es noch ein kulinarisches Berlin-Geheimnis, das Sie mit uns teilen möchten?

Wussten Sie, dass es den besten Guglhupf der Welt im KaDeWe gibt? Und das sage ich, der in Wien studiert hat, der Stadt des Guglhupfs! Die Version aus dem KaDeWe ist einfach unschlagbar! Das sind kleine Mini-Guglhupfs, die einmal komplett in Rum getaucht werden. Durch die Schwerkraft sackt der dann durch das gesamte Backwerk nach unten, sodass es oben flaumig weich bleibt und unten richtig schön saftig wird. Wenn ich bei meinem Tod ein Stück davon in den Mund geschoben bekommen würde, wäre mir der Weg in den Hades sehr erleichtert (lacht).


Minna Wündrich ist Hauptdarstellerin in Eva Trobischs neuestem Film Ivo, der auf der Berlinale seine Weltpremiere feierte. Sie blickt sie mit der Brille einer Filmschaffenden auf das Geschehen und verrät uns, warum das Frühstück die wichtigste Festival-Mahlzeit überhaupt ist.

FOTO Linda Rosa Saal

Frau Wündrich, wie sieht Ihr Festivalalltag aus?

Ich habe relativ viele Termine und es gibt einige Veranstaltungen, die ich gerne besuchen will. Zwischendrin versuche ich mich dann ein bisschen zu schonen. Ich bin zurzeit hochschwanger, und da muss ich natürlich gucken, dass ich ein paar Ruhepunkte einlegen kann. Zwischen den Empfängen und Einladungen, die viel Spaß machen, sehe ich mir natürlich auch noch Filme an. Ich bin für die kompletten zehn Tage hier, genieße es sehr und wusele die ganze Zeit von einem Termin zum nächsten. Das Schöne ist ja, dass man, wenn man erst einmal im Kino sitzt, ein bisschen herunterkommen kann und der schwangere Bauch seine Ruhe bekommt.

Wo bleibt da noch Zeit zum Essen?

Tatsächlich nehme ich mir die zurzeit hauptsächlich für ein gutes Frühstück, bevor das Gewusel losgeht. Ich finde, kaum eine deutsche Stadt hat so viele gute Frühstücksmöglichkeiten wie Berlin; ich mag zum Beispiel das Sorrel in Neukölln oder das Annelies am Görlitzer Park sehr gerne. Mein perfektes Frühstück ist erst herzhaft und dann süß – ich habe gerne beides. Und ich freue mich, wenn es in den Restaurants und Cafés kleine Besonderheiten gibt. Im Sorrel kann man beispielsweise ganz viele verschiedene kleine Teller bestellen, so dass man am Ende für alle ein großes Angebot zum Teilen auf dem Tisch stehen hat – vom Fenchelsalat mit Makrele bis zum French Toast. Gerade zur Berlinale ist es immer wichtig, eine reichhaltige Basis zu haben, bevor man dann losspringt und auf die Veranstaltungen wartet, auf denen es ein ‚Flying Buffet‘ gibt (lacht). Ich warte aber genauso gern bis zum Abend, um mit Freundinnen und Kollegen essen zu gehen.

Was ist für Sie der ideale Kinosnack?

Ich bin ein großer Fan von salzigem Popcorn, das ist mein absoluter Lieblingsklassiker. Dass man bei der Berlinale keine Snacks mit in den Saal nehmen darf, enttäuscht mich immer ein bisschen. Einmal habe ich mir jetzt allerdings tatsächlich eine Tüte Popcorn hineingeschmuggelt. Und hey, ich bin schwanger, da hätte ich das zur Not auf die Hormone schieben können, wenn mich jemand erwischt hätte. Es ist aber alles gut gegangen.

Worum geht’s in Ihrem neuen Film Ivo?

Es ist ein Film übers Sterben, die Liebe und das Leben, der traurig und zugleich humorvoll ist. Meine Figur Ivo ist eine Palliativpflegekraft, die ambulant in ihrem Auto herumreist und Menschen in ihrem Sterbeprozess begleitet. Wir sehen ihr dabei zu, wie sie sich um mehrere Patienten kümmert und lernen dabei auch ihren Beruf ein bisschen kennen. Gleichzeitig gibt es da aber noch eine Patientin, mit der Ivo befreundet ist und mit deren Mann sie eine Affäre hat. Diese Freundin möchte irgendwann ihren eigenen Sterbeprozess beschleunigen und stellt Ivo damit vor eine Entscheidung.

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