Vom Glück, ein Gastgeber zu sein

Der Grand Seigneur der deutschen Hotellerie und Gastronom des Jahres 2022 wird 80

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TEXT Anke Kronemeyer | FOTOS Hotel Bareiss, Günter Standl

Hermann Bareiss wird am 27. März 80 Jahre alt. Fast 60 davon hat der immer akkurat gekleidete Gastgeber an der Spitze des gleichnamigen Hotel Bareiss in Baiersbronn im Schwarzwald verbracht. Nach wie vor macht er abends seine Honneurs in den Restaurants.

Er ist eine imposante Erscheinung: 1,86 Meter groß, wacher, freundlicher Blick, die grauen Haare leicht gewellt zurückgekämmt, immer im Anzug, mit Krawatte und Einstecktuch. „Das wird sich auch nicht mehr ändern“, lacht Hermann Bareiss, auf das offizielle Outfit angesprochen. Was Anzug und Krawatte beträfe, sei man halt konservativ und erwarte auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Akkuratesse. Das Leben des noch 79-Jährigen ist eng mit dem Privathotel am Hermine-Bareiss-Weg in Mitteltal, einem Ortsteil von Baiersbronn, verbunden. Obwohl es nicht ganz so geplant war.

„Ich wollte mich nach der Kochlehre in den besten Hotels der Welt weiterbilden.“ Ein paar Stationen hatte er bereits geschafft – Paris, London, Schweiz – als er bei Bachmair am Tegernsee als Direktionsassistent arbeitete. Da erreichte ihn dieser legendäre Anruf der Mutter, von dem in den Annalen der Familie Bareiss immer wieder erzählt wird. „Wenn du nicht heimkommst, verkaufe ich das Hotel“, habe sie gesagt. Hintergrund: Seine Mutter hatte im Mai 1951 das Kurhotel Mitteltal eröffnet, zu Beginn mit sechs Doppelzimmern, Toilette auf dem Gang, einem Bad für alle, aber auf dem Zimmer schon fließend Kalt- und Warmwasser. 1957 – eine kleine Sensation im Hotelwesen – das erste Zimmertelefon. Das Haus wurde immer größer und erfolgreicher, aber irgendwann schaffte Hermine Bareiss es nicht mehr alleine. Sie bat ihren Sohn um Hilfe. Das war im Jahr 1966. Er kehrte zurück ins beschauliche Mitteltal, obwohl er eigentlich noch nach Fernost wollte.

Neue Küche, das erste Hallenbad

Der Rest ist Geschichte: Zuerst baute er eine neue Küche, zwei Jahre später ein Hallenbad mit Sauna. So etwas hatten noch nicht viele Häuser. Als Hermann 29 Jahre alt war, übernahm er das Hotel komplett. Und schrieb auf, was er alles aus dem Haus machen wollte. „80 Prozent davon haben wir bis zum Jahr 2000 umgesetzt“, erzählt er stolz. Das heißt: Aus dem Kurhotel Mitteltal wurde mit dem Bareiss-Resort eines der bedeutendsten, beliebtesten und höchst-ausgezeichneten Familien-Ferienhotels Deutschlands, von denen es in Deutschland mit Schloss Elmau und der Sonnenalp vielleicht noch zwei andere gibt. In Baiersbronn hagelte es eine Auszeichnung nach der anderen, immer wieder landete das Haus auf einem Spitzenplatz, wenn es um das beste Hotel, das beste Resort, das beste Frühstück ging, die beste Nachwuchsförderung oder um das schönste Spa.

Immer wieder wurde Hermann Bareiss auch ganz persönlich geehrt: als Hotelier des Jahres, als Gastgeber des Jahres, mit dem Bundesverdienstkreuz oder – wegen seiner intensiven Beziehungen zu Frankreich – mit dem Orden des Chevalier de la Légion d’honneur. Auch Gault&Millau zeichnete ihn immer wieder aus – zum Beispiel 2022 zum Gastronomen des Jahres, die Restaurants des Hauses bekommen jedes Jahr viele Hauben im Restaurant-Guide. Flaggschiff ist das Restaurant Bareiss – mit vier roten Hauben. Mit den ebenfalls hoch dotierten Köchen in der Traube Tonbach und dem Hotel und Restaurant von Jörg Sackmann und seiner Familie behauptet sich der kleine Ort Baiersbronn übrigens als Gourmet-Hotspot von ganz Deutschland.

Die herausragende Kulinarik in den Hotelgastrestaurants und den drei à-la-Carte Restaurants – Dorfstuben, Kaminstube und Restaurant Bareiss –, sowie Poolbistro und Oase ist aber nur ein Aspekt, den die Gäste in dem Resort seit Jahrzehnten schätzen. Wellness und Spa-Angebote spielen – neben der direkt vor der Haustür liegenden Natur im Schwarzwald – eine weitere große Rolle, ebenso das Kinderprogramm. Sehr beliebt sind auch die drei kulinarischen Outlets des Hotels: der historische Morlokhof, die Wanderhütte Sattelei und der Forellenhof Buhlbach mit einer der modernsten Forellen-Zuchtanlagen in Deutschland. Dass der Aufenthalt im Bareiss nicht preisgünstig ist, mag sich von selbst verstehen. Das Haus gilt als eines mit den höchsten Zimmerpreisen im Land. Bedeutet: Ein Doppelzimmer wird mit 380 Euro pro Nacht berechnet. „Dann gehört aber alles dazu“, erklärt der Chef: Halbpension, Wellness, Spa, tägliches Kinderprogramm – alles inklusive. Und natürlich der aufmerksame Service des Teams.

80 Bauabschnitte in den Jahrzehnten

Heute hat das Bareiss 120 Zimmer mit 230 Betten. Bis zum Spätsommer wird aktuell wieder gebaut, es entsteht eine neue Penthouse-Anlage mit exklusiven Master-Suiten. Geschätzte 80 Bauabschnitte hat Hermann Bareiss in all den Jahren betreut. Diese Aufgabe übernimmt nun immer mehr Sohn Hannes, der bereits seit 2009 im Unternehmen ist und gemeinsam mit seiner Frau Britta das Haus führt. Die beiden haben 2015 geheiratet und sind mittlerweile Eltern von drei Kindern.

350 feste Mitarbeiter

Der bald 80-jährige Hermann Bareiss weiß eines ganz genau: Ohne die Mitarbeiter im Haus – insgesamt waren es über die Jahre mehr als 6000 – könnte all das nicht klappen, was die Gäste so schätzen und was das Bareiss zu dem gemacht hat, was es heute ist. 350 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – jedes Jahr werden 40 neue Auszubildende eingestellt – gehören zum Team, hinzu kommen etwa 50 freie Mitarbeiter wie Wanderguide, Limousinen-Chauffeur, Schwimmlehrer, Musiker und Aushilfen. Viele gehören seit Jahrzehnten zum Team. Claus-Peter Lumpp ist einer von ihnen: Der Spitzenkoch feierte gerade seine 40-jährige Betriebszugehörigkeit. Treu sind aber auch viele Stammgäste, die immer sonntags geehrt werden. Viele sind schon 40, 60, 80 oder sogar 100-mal im Haus gewesen, die meisten der „Wiederholungsgäste“ kommen aus Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Ein Großteil der übrigen Gäste reist übrigens aus Nordrhein-Westfalen an. Das hat Tradition: Früher nannte man sie „Luftschnapper“, weil sie aus dem Ruhrgebiet mit seiner schlechten Luft zum Durchatmen in den Schwarzwald kamen. Heute kommen aber auch viele Gäste aus Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz oder aus Frankreich – und dürfen den Luxus in Anspruch nehmen, sich mit der Limousine abholen zu lassen. Die fährt nach Hamburg oder Düsseldorf, zum Flughafen nach Stuttgart oder nach Straßburg und Zürich und lädt Gepäck und Gäste ein und bringt sie höchst komfortabel nach Baiersbronn.

Viele Schulungen für die Auszubildenden

Das Thema Ausbildung ist und war für Hermann Bareiss immer wichtig. An der hauseigenen Bareiss-Akademie gibt es Basis-Schulungen und Weiterbildungen, und seit mehr als 28 Jahren hält der Patron auch selbst Vorlesungen für die Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg aus Ravensburg (DHBW). Regelmäßig statten ihm die Gruppen Besuch ab, werden durchs Hotel geführt, bekommen einen ersten Einblick in ihren eventuell späteren Arbeitsplatz und unterhalten sich dann ein, zwei Stunden mit dem Senior. Der vermittelt ihnen gerne sein Credo: „Wir wollen unseren Gästen einen rundum schönen und optimalen Urlaub bieten und ihnen alle Wünsche von den Augen ablesen.“ Zusätzlich hat er noch einen anderen, hohen Anspruch an sein Unternehmen: „Wir wollen der beste Arbeitgeber sein.“ Darum werde dem Personal auch viel Attraktives geboten: Oktoberfest, Weihnachtsfeier, Azubi-Ausflüge inklusive Mitarbeit im Weinberg, Elterntage, ein Mitarbeiter-Restaurant sowie eine gezielte Karriereplanung. Alle im Haus, so der Wunsch des Chefs, sollen die wichtigste Philosophie des Hauses weitergeben: den Gast glücklich machen. „Das geht aber nur, wenn man selber glücklich ist. Dann bekommt man auch viel zurück.“ Denn Bareiss ist sich sicher: „Wir arbeiten in dem schönsten Beruf der Welt.“

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