„Ohne das Noma hätte ich das gar nicht machen können“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Mimi Ferments

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Mimi Ferments

Der Weg hat etwas Zelebratives. Wer die Berliner Osram-Höfe im Stadtteil Wedding durch die kleine Passage aus Richtung Oudenarder Straße betritt, steuert geradewegs auf einen ganz besonderen Betrieb zu. Schon aus der Ferne fällt der Blick durch große Glastüren auf einige minimalistische Holztische und Fässer. Unmengen an Fässern. Wer die Türen durchschreitet, steht in einer kathedralenartigen Halle – der Wirkungsstätte von Markus Shimizu. Die von ihm produzierten Fermente sind in reiner Handarbeit aus besten Rohstoffen hergestellt und von außergewöhnlicher Qualität. Für uns gehört Mimi Ferments zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Es ist ein schwer zu beschreibender Geruch, der die helle Produktionshalle erfüllt. Leicht säuerlich duftet es hier, ein bisschen malzig, vor allem hochgradig spannend. „Ich rieche das schon gar nicht mehr“, sagt Markus Shimizu mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. Hinter ihm erstrecken sich Holzfässer und Tontöpfe, Reihe um Reihe, jeglichen Überblick verbittend. Mehr als 70 Stück stehen hier, im Lager nochmal 60 weitere. In ihnen schlummern einige der spannendsten japanischen Würzprodukte, die auf dem deutschen Markt zu finden sind. Hier reift Sojasoße, dort Mirin, in einer Ecke fermentiert Miso vor sich hin. Man muss sich zurückhalten, um nicht der Neugierde nachzugeben und wahllos Fass um Fass aufzurupfen und hineinzuschauen.

Beinahe zwei Dutzend unterschiedlicher Fermente stellen Shimizu und sein sechsköpfiges Team am kürzlich bezogenen Standort im Wedding her. Die vorige Produktionsstätte war zu klein geworden. „Diese hier ist aktuell zwar noch zu groß, wir können gar nicht den ganzen Raum nutzen. Aber mein Plan ist es natürlich, dass wir bald die ganze Kapazität brauchen werden“, sagt Shimizu mit einem Augenzwinkern. Und es stimmt, sowohl die Produktions- als auch die Lagerfläche ist enorm. In Kürze sollen die Fässer in noch zu montierenden dreistöckigen Wandregalen liegen, die aktuell mit ihnen belegte Fläche zu einem Arbeitsplatz für Kurse und Workshops werden. Das Potenzial der Fässer besteht nicht nur in ihrer äußerst dekorativen Qualität, sondern natürlich in ihrem Einfluss auf die Fermente.

„Wir nutzen die verschiedensten Fässer. Manche werden extra für uns aus Eschenholz gefertigt, die meisten sind allerdings gebrauchte Eichenholzfässer. Da war vorher Rotwein drin, Whisky oder Rum. Das Aroma des Fasses setzen wir dann bei den ersten Belegungen ganz gezielt ein.“ So wird beispielsweise einer im ehemaligen Laphroig-Fass gereiften Sojasoße ein spezieller torfig-rauchiger Ton verpasst. Doch auch seine puristischeren Produkte sind hochintensiv und charakterstark. Sei es das ein Jahr im (geschmacksneutralen) Holzfass gereifte Miso, der mit einem ganz bestimmten deutschen Rum angesetzte Mirin oder das scharfe Gochujang aus süßlichem Amazake, Mirin und fermentierter Chili. Jedes seiner Produkte weist ein sehr individuelles Aromengerüst auf und hat mit dem aus der Industrie Bekannten kaum bis gar nichts zu tun.

„Ich habe schon fermentiert, bevor ich damit Geld verdient habe“, sagt Shimizu. Als Kind von Allergien geplagt schlug die Mutter kurzerhand eine vegane und bedacht ökologische Ernährungsweise vor. Und siehe da: Sie hat gewirkt. „Da habe ich gemerkt, dass Ernährung mehr sein kann als reines Essen. Wir bestehen ja aus dem, was wir essen und somit können Lebensmittel uns auch heilen.“ Es waren unter anderem die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Fermentation, die Shimizu später dazu brachten, es einfach mal auszuprobieren, „Fermente schmecken aber auch einfach gut.“ Von seiner japanischen Schwiegermutter lernte er die Kunst der Misoherstellung, die fortan im privaten Rahmen angewendet wurde.

Lange dauerte es nicht, bis Shimizus Freunde so angetan von seinen Erzeugnissen waren, dass er auch sie mit einigen Gläschen bedenken musste, dann auch die Freunde der Freunde, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis eines Tages der erste Koch in seiner Wohnung stand und um seine Produkte gebeten hat. Als deren Kapazität nicht mehr ausreichte („Mein ganzes Zimmer stand voll mit Fässern!“), wurde im Jahr 2017 dann das Unternehmen gegründet, damals noch in der Stephanstraße am Westhafen. Nach knapp fünf Jahren fiel Shimizu aber auch dort sprichwörtlich die Decke auf den Kopf, zu groß war inzwischen die Nachfrage geworden.

Ob das mit dem Fermentationstrend der letzten Jahre zusammenhängt, wisse er nicht, man frage ja nicht jeden Kunden, ob er jetzt ‚wirklich interessiert’ oder ‚nur‘ wegen eines aktuellen Hypes da sei, es mache ja auch am Ende keinen Unterschied. „Eins steht jedoch fest: Ohne das NOMA hätte ich das gar nicht machen können. Sie haben dieser alten Technik wirklich wieder zu neuer Popularität verholfen, und dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“

Shimizu meint, dass die erneute Zuwendung zu fermentierten Lebensmitteln, die hauptsächlich von dem Kopenhagener Spitzenrestaurant NOMA ausgegangen war, Teil einer größeren Bewegung ist: „Es geht alles wieder zurück zum Handwerk. Sei es in der Lebensmittelindustrie, in der Mode oder in vielen anderen Bereichen unseres Lebens. Individualität, Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein werden immer wichtiger – die erreicht man aber nicht mit industriellen Produkten.“ Es bleibt zu hoffen, dass diese Philosophie mehr ist als utopischer Optimismus. Dass er selbst voll dahintersteht, wird niemand bezweifeln, der ihn und seine Produkte kennt.