Kupfer im Blut

Liebe Leserin, lieber Leser,

Kupferkochtöpfe galten lange als schön, aber unerschwinglich, damit zu kochen als mühsam, auf Induktionsherden gar unmöglich. Bis eine kleine Manufaktur nahe Brüssel eine neue Schichtmetallvariante entwickelte und seither den französischen Traditionsherstellern erfolgreich Konkurrenz macht. Gault&Millau stellt sie Ihnen vor! 

Wir befinden uns in den 1960ern im belgischen Wespelaar, wo Pieter Paul Van Achter eine Firma zur Herstellung von Galvanoplastiken führt und neben diesen Kunstgewerbe-Artikeln auch Deko-Töpfe produziert. Da kommt gegen Ende des Jahrzehnts ein neuer kulinarischer Trend auf: das Käsefondue – und Van Achter hat eine Geschäftsidee. Er entwirft einen Käsefonduetopf aus Kupfer, den er dermaßen erfolgreich verkauft, dass er seinen gesamten Betrieb auf die Produktion von Kupferkochgeschirr umstellt und ein neues, leistungsfähigeres Rohmaterial für die Kupfertopfherstellung einführt. Waren Kupfertöpfe bis dahin wie üblich mit Zinn ausgekleidet, um chemische Reaktionen des Kupfers mit dem Gargut zu vermeiden, verwendet Pieters Sohn und Nachfolger an der Spitze der Firma, Paul Van Achter, fortan selbstentwickelte Bi-Metallbleche aus einer feinen Schicht Edelstahl, hochdruckgepresst auf ein dickeres Kupferblech. „Töpfe aus diesem Material sind widerstandsfähiger, leichter zu reinigen und oxidieren nicht“, erklärt Pieters Enkel Jan Van Achter, der den Familienbetrieb seit 2012 in dritter Generation führt. „Damit war unsere Klassik-Topfserie ‚Falk Culinair‘ geboren, später ergänzt um die Signature-Serie mit Edelstahl-Beschlägen.“ 

Im Fertigwarenlager neben seinem Büro nimmt der 40-jährige Betriebswirt einen Schmortopf vom Regal, um die Wirkung dieser Metallkombination zu verdeutlichen. „Die Innenauskleidung der Töpfe ist wegen der hohen Reaktionsfähigkeit von Kupfer extrem wichtig. Marmelade lässt sich am besten in einem Kupfertopf einkochen, denn da wird sie wegen der guten Leitfähigkeit und der gleichmäßigen Wärmeverteilung schneller fest. Das Metall reagiert auch mit der Fruchtsäure, so behalten die Früchte ihre Farbe. Würde man allerdings ein Boeuf Bourguignon in einer rein kupfernen Kasserole aufsetzen, bekäme das Fleisch, wegen der Reaktion der Rotweinsauce mit dem Kupfer einen unangenehmen metallischen Beigeschmack“, weiß der Unternehmer. Vorsichtig, beinahe liebevoll, verstaut er den Bräter wieder an seinem Platz und setzt die Führung fort. 

Durch die Oberlichter in der Werkshalle scheint freundlich die Morgensonne auf sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hochkonzentriert bei der Arbeit sind. Es ist erstaunlich ruhig dafür, dass hier Metall verarbeitet wird. Nur ab und zu dröhnt oder kreischt es plötzlich von einer der Werkstationen her, wenn eine der Maschinen für einen Arbeitsgang angeworfen wird. 15.000 Kupferteile pro Jahr werden in dem Familienbetrieb im Schnitt hergestellt. Diese Stückzahl ist mit einer so kleinen Mannschaft nur zu erreichen, weil die Produktionsprozesse effizient in 14 abgegrenzte Arbeitsabschnitte aufgeteilt sind. 

Zentral in der Manufaktur lagert der Rohstoff, sorgsam gestapelte Kupfer-Edelstahlbleche in verschiedenen Größen. Gegenüber thront die massive, grün lackierte Tiefziehmaschine, das Herzstück der Produktion. Davor sammeln sich auf einer Werkbank frisch ausgestanzte Rohlinge wie metallene Pfannkuchen, angerichtet zum Servieren. Im nächsten Arbeitsschritt drückt die Tiefziehmaschine, eine hydraulische Presse, die Platten über einer eisernen Wölbung in die benötigte Topf-Form, ähnlich der Herstellung eines Hutes, dessen Filzstoff über einem runden Holzblock mithilfe von Dampf zurecht gezogen wird. 

Aus einer Ecke der Halle dringt plötzlich ein dröhnendes Geräusch in die ansonsten meist von ruhiger Geschäftigkeit geprägte Arbeitsatmosphäre: Patrick Poels, einer der besonders erfahrenen Mitarbeiter bei Falk, nimmt einen Topfrohling von einem mannshohen, altmodischen Rollwagen und beginnt hochkonzentriert, die Oberfläche für eine gleichmäßig gebürstete, satinierte Optik zu bearbeiten. „Jetzt muss ich aufpassen, hier sollte jeder Handgriff sitzen, sonst ist der Topf verdorben – oder ein Finger ab“, ruft Poels durch den Lärm über die Schulter. Der 61-Jährige arbeitet zügig, aber bedachtsam, trotz der robusten Arbeitshandschuhe immer darauf bedacht, dass seine Hände nicht mit dem schnell rotierenden Polierstein in Berührung kommen. 

Auch an der nächsten Werkstation bei Marije Van Hulle ist Fingerspitzengefühl gefragt. Sie arbeitet seit sieben Jahren in der Manufaktur, ihr Spezialgebiet: Annieten der Beschläge. „Erst bohre ich auf den gegenüberliegenden Seiten dieser Pfanne zwei Löcher, dann muss ich den gusseisernen Griff zusammen mit dem Pfannenkorpus unter den Maschinenarm halten. Die erhitzten Edelstahlnieten werden vom Kolben durch die Öffnungen in Henkel und Pfanne getrieben und verpresst. Nach dem Abkühlen sitzt das bombenfest“, strahlt die junge Frau, sichtlich stolz auf „ihre“ Pfanne. 

In diesem Betrieb herrscht wahrlich eine äußerst familiäre Arbeitsatmosphäre. Zwischen den Arbeitsgängen plaudern die Kollegen miteinander oder verschwinden in der Pause, um vor dem Haus gemeinsam Kaffee zu trinken, weil das Wetter so schön ist. Und wie so oft in Familienbetrieben nimmt der Chef selbst regen Anteil, schaut hier kritisch nach dem Rechten, löst dort ein aufgetretenes Problem oder ermuntert im Vorbeigehen einen Mitarbeiter. Und er legt auch selbst mal mit Hand an, wenn nötig: Plötzlich nämlich muss eine eilige Lieferung raus, doch keiner der Mitarbeiter ist abkömmlich. Da begibt sich der Chef hurtigen Schrittes in den Versandbereich und hüllt eine Ladung Töpfe und Pfannen sorgfältig in Wellpappe und Folie. Er fügt jeweils noch einen kleinen Flyer mit Tipps zur Benutzung und Pflege hinzu, ehe er die große Kiste nach Kanada adressiert.  

Obwohl Falk Culinair nur ein vergleichsweise kleiner Anbieter auf dem Markt für hochwertiges Kupferkochgeschirr ist – die deutlich größeren und traditionelleren Konkurrenten sitzen in Frankreich, in Deutschland und in den USA – hat sich die kleine Manufaktur aus Belgien in den vergangenen Jahrzehnten einen derart guten Ruf erworben, dass ihr weltweiter Kundenkreis stetig wächst. Ab gut 100 Euro gibt es bei Falk eine kleine Sauteuse, bis zu 450 Euro muss man für einen großen Bräter ausgeben. „Bei uns ist alles Handarbeit, die hat ihren Preis. Dafür halten unsere Töpfe aber auch ein Leben lang, sind also sehr nachhaltig. Und man kocht mit ihnen äußerst energiesparend“, wehrt sich Van Achter gegen das Image, Kupfertöpfe seien Luxusprodukte für Küchen der Topgastronomie oder reiche Hobby-Köche. „Schon wegen der guten Wärmeleitfähigkeit von Kupfer sind diese Töpfe zeitgemäß. Damit kann man schnell und energiesparend kochen, das ist auch zuhause ein Riesenvorteil“, so der Familienvater.  

Seit einiger Zeit gilt das übrigens auch für Kochen mit Induktionstechnik. Als Jan Van Achter vor zehn Jahren den Familienbetrieb übernahm, sah er sich mit dem Siegeszug des Kochens mit Induktion konfrontiert und musste reagieren, denn Kupferkochgeschirr war nur noch schwer zu vermarkten. Also konterte er mit Innovationsgeist und ließ Wissenschaftler der nahen Universität Leuven monatelange Testreihen durchführen, um die optimale Zusammensetzung für ein neues Rohmaterial zu finden.

Die Lösung: ein Dreischichtmetall aus Edelmetall, Kupfer und Chromstahl. Diese Kombination ermöglicht seither bei gleichbleibender Konduktivität auch das Entstehen eines ferromagnetischen Feldes zwischen Topf und Herd.

„Nach zwei Jahren Entwicklungsdauer konnten wir 2017 die ersten Prototypen produzieren“, sagt Jan Van Achter. Und haben sich die zwei Jahre Entwicklungsarbeit ausgezahlt? Der Unternehmer lächelt zufrieden: „Ja, die Kupferkern-Topfserie wird von den Kunden sehr gut angenommen, und die Umsätze sind 2021 trotz der schwierigen Wirtschaftslage weiter gestiegen.“  

Für ihn ist das dennoch kein Anlass, übermütig zu werden: „Wir wollen uns organisch entwickeln und jetzt erstmal unsere jüngste Topfserie bekannter machen“, versichert Jan Van Achter mit einem Augenzwinkern. „Sollte sich aber die Marktlage verändern, lassen wir uns eben wieder etwas Neues einfallen.“ 

Ihr Team von Gault&Millau Deutschland

Fotos: Fritz Beck