10 Fragen an … Sigi Schelling, unsere Aufsteigerin des Jahres 2023I24

Manchmal braucht es einen Tritt in den Hintern, um glücklich zu werden

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INTERVIEW Nick Pulina | FOTO birdyfoto

„Sigi Schelling ist angekommen – in der absoluten gastronomischen Spitze der Stadt, in der erfolgreichen Selbständigkeit, in den Herzen ihrer Gäste.“ So heißt es im Gault&Millau Restaurantguide 2023I24 in der Laudatio auf die Chefköchin. Nicht einmal zwei Jahre nach der Eröffnung ihres Werneckhofs zwischen Englischem Garten und Münchner Freiheit ist Schelling aus der Münchner Restaurantlandschaft schon nicht mehr wegzudenken. Mit ihrer klassisch verwurzelten, schlüssigen und schlicht glücklich machenden Küche hat sich die gebürtige Vorarlbergerin, die 14 Jahre lang kochend an der Seit von Hans Haas stand, ganz ohne laute Töne oder vermeintlich innovative Marketingmaßnahmen eine ansehnlichen Schar von Stammgästen erarbeitet. Wundern kann das freilich niemanden. Uns erzählt Schelling, von welchem Produkt sie lieber die Finger lässt, bei welcher Musik sie sich ihre Gerichte einfallen lässt und warum sie nie auf die Idee käme, im Sommer Austern zu servieren.

1. Frau Schelling, Sie kommen gerade frisch aus dem Betriebsurlaub. Wohin hat es Sie verschlagen?
Dieses Mal bin ich gar nicht gereist, dafür hatte ich viel zu viele Dinge zu tun, für die ich immer vor Ort sein musste. Aber man kann ja glücklicherweise auch in Bayern gut entspannen. Ich fahre in meiner Freizeit gern Rennrad, das habe ich viel gemacht und komme so auch ohne Reise gut erholt zurück ins Restaurant.

2. Jetzt heißt es wieder: Vier Tage in der Woche sowohl Mittags- als auch Abendservice. Was tun Sie an den anderen drei Tagen, um sich davon wieder zu erholen?
Nun, auch da gibt es ja immer etwas zu tun. Ich bin selbständig und dann dementsprechend mit Büroarbeit, meinem Steuerberater und dem Einkauf beschäftigt; eben all den Dingen, die liegen bleiben, wenn man das Restaurant sowohl mittags als auch abends offen hat. Aber ich versuche zumindest, mir den Sonntag freizuhalten, um Sport zu machen und mich zu entspannen, bevor dann wieder die Vorbereitungen beginnen.

3. Ihr Küchenstil ist zwar klassisch geprägt, baut dabei aber stark auf regionale Produkte von handverlesenen Erzeugern und strahlt eine angenehme Bodenständigkeit aus. Wie sieht Ihre Philosophie dahinter aus?
Die klassische Küche habe ich gelernt und konnte mir nie vorstellen, anders zu kochen. Mir persönlich ist es aber sehr wichtig zu wissen, woher meine Produkte kommen. Wie ist das Tier, dessen Fleisch ich verarbeite, gezüchtet, gefüttert und geschlachtet worden. Wer ist der Erzeuger? Mit welcher Philosophie steht er hinter seinem Produkt? Ich brauche diesen Bezug. Dementsprechend bin ich auch sehr saisonal verwurzelt. Es gibt in Bayern so schöne Tomaten, da muss ich sie nicht aus China kaufen, nur weil sie bei uns gerade keine Saison haben. Genau so wenig wie ich im Sommer auf die Idee käme, Muschelgerichte anzubieten. Die passen einfach nicht in die Jahreszeit.

4. Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an den Werneckhof denken?
Wohlfühlen. Bei mir soll sich jeder Gast entspannen und gehen lassen können; das liegt mir am Herzen.

5. Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass sie Ihre Inspirationen neben Ihren Reisen vor allem aus der Musik ziehen – Was hören Sie denn gern?
Ich höre am liebsten Klassische Musik, Jazz und Soul, aber oft auch Meditationen. Da komme ich sehr gut runter. Und wenn ich entspannt bin, kann ich am besten überlegen. Wirklich gute Ideen kommen mir entweder in der Entspannung oder während der absoluten Ruhe beim Kochen selbst. Musik ist mir zwar wichtig, aber nicht während des Service in der Küche. Da muss alles perfekt sein, jeder konzentriert sich und dafür braucht es absolute Ruhe; man muss ja schließlich auch die Ansagen hören.

6. Wagner oder Mozart?
Beide.

7. Miles Davis oder Duke Ellington?
Duke Ellington.

8. Wie schmeckt Ihre Kindheit?
Wunderbar, geschmackvoll und sehr ausgeglichen. Meine Kindheit war sehr fördernd für das, was ich heute mache. Meine Eltern haben mir und meinen fünf Geschwister schon sehr früh Verantwortung übertragen. Wir hatten immerhin einen Bauernhof, da musste jeder schon von klein auf mit anpacken. Dafür bin ich ihnen heute sehr dankbar. Verantwortung zu tragen, ist für mich etwas Wunderbares. Gerade viele junge Menschen sehen das ja heute leider nicht mehr so. Es hat mir viel gegeben, wenn ich zum Beispiel am Wochenende mit meiner Mutter Hefezopf gebacken habe. Bald durfte ich das dann auch alleine machen, und natürlich ist da auch mal etwas schiefgegangen. Aber trotzdem durfte ich es immer wieder probieren, das weiß ich heute sehr zu schätzen. Und meine Brüder haben es am Ende sowieso immer aufgegessen.

9. Was möchten Sie nie wieder essen müssen?
Oh, das ist einfach. Eigentlich bin ich ein Allesesser und probiere auch alles gern. Aber Schnecken sind nicht so mein Ding. Schnecken, Würmer und so etwas, was man hin und wieder mal auf Speisekarten findet – nein, lieber nicht.

10. Was möchten Sie noch loswerden?
Es ist ja immer noch für viele Menschen ein Thema, dass ich damals aus dem Tantris weggegangen bin und etwas Eigenes eröffnet habe – das war es auch für mich sehr lange. Aber inzwischen habe ich erkannt, dass es manchmal eben einen Tritt in den Hintern braucht, um glücklich zu werden. Damals fand ich es schlimm, aber heute sehe ich: Es war das Beste, was mir passieren konnte. Das zu erkennen und wirklich vollkommen hier im Werneckhof anzukommen, hat nun knapp zwei Jahre gedauert. Natürlich haben wir von Anfang an Gas gegeben und perfekt gearbeitet, aber jetzt fühlt es sich auch für mich persönlich so an, als würde alles laufen. In der Anfangszeit gab es immer irgendetwas, das noch zu klären war, aber jetzt habe ich ein tolles Team, alle sind eingespielt – jetzt sind wir angekommen.