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TEXT Nick Pulina I FOTOS Han Luu
Die vielfach zitierten „bewegten Zeiten“, in denen sich der deutsche Weinbau derzeit befindet, gehen auch am VDP und seinen rund 200 Mitgliedern nicht spurlos vorbei. Rückläufige Absatzzahlen, ein herausfordernder Jahrgang 2024 und immer neue Regularien könnten leicht zur Resignation führen. Dass die Stimmung auf der diesjährigen Mainzer Weinbörse dennoch optimistisch und irgendwie wie immer war, macht Hoffnung. Wir waren vor Ort und haben zugehört.
„Die VDP.Weinbörse 2025 war ein lebendiger Ausdruck unserer gemeinsamen Leidenschaft für herkunftsgeprägten Spitzenwein aus Deutschland – und ein starkes Zeichen der Zuversicht in bewegten Zeiten für den Weinbau“, so der Verband. Bei 189 ausstellenden Weingütern und rund 3.500 Fachbesucherinnen und -besuchern darf die Messe durchaus als Erfolg gewertet werden. Der VDP hebt besonders die gewachsene Internationalität der in diesem Jahr noch bewusster kuratierten Gästeliste hervor und spricht von einer „spürbaren Zuversicht“, mit der viele am Montagabend die Rheingoldhalle verließen. Ein Eindruck, den wir teilen können.
Es lässt sich kaum sagen, welches Thema den Betrieben aktuell am meisten zu schaffen macht: der sinkende Weinkonsum, drohende US-Zölle oder der durch Frost geschwächte Jahrgang 2024? In Schockstarre verfallen ist jedoch kaum jemand. An fast jedem Stand, in jedem Gang: Tatkraft statt Trübsal. Der Wille, den Herausforderungen kreativ und entschlossen zu begegnen, ist allgegenwärtig.
Die Guts- und Ortsweine des Jahrgangs 2024 zeigen sich trotz aller Widrigkeiten erstaunlich klar, frisch und leichtfüßig. „Das Problem lag ja nicht in der Qualität der Trauben, sondern in der zum Teil deutlich geringeren Erntemenge“, erklärt Dorothee Zilliken vom Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken an der Saar. Besonders drastisch hat es die Betriebe im Osten Deutschlands getroffen. „Wir haben 80 Prozent unserer Ernte verloren“, berichtet Grit Geißler vom Weingut Martin Schwarz in Meißen. Zwar könne man durch längere Reifezeiten und verzögerte Vermarktung noch etwas gegensteuern, doch das „Loch“ bleibe. „Die Auswirkungen werden wir erst im Laufe des nächsten Jahres richtig spüren.“
Dass der VDP im Jahrgang 2024 rund vier Millionen Flaschen weniger Wein als im Vorjahr produziert hat, wirkt fast wie ein ironisches Sinnbild der Zeit. Die zunehmend gesundheitsorientierte Gesellschaft bewertet Wein immer seltener nach seiner kulturellen Bedeutung, sondern nach Alkoholgehalt und Kalorienzahl. VDP-Präsident Steffen Christmann fand in seiner Eröffnungsrede deutliche Worte: „Wir genießen nicht, weil es gesund ist – obgleich gerade der Genuss es sein kann.“ Genuss, so Christmann weiter, sei Teil eines Lebensstils, der Freude, Austausch und Inspiration ermögliche – und durchaus zu mehr Lebensqualität beitragen könne. Der Verband bekenne sich zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, fordere aber eine ausgewogene Debatte, die auch den gesellschaftlichen und kulturellen Wert des Weingenusses würdigt.
Alkoholfreie Weine waren auf der Börse zwar kaum zu finden, doch „low alcohol“ war ein Thema – nicht nur an der süßweinstarken Mosel. Die geringeren Alkoholwerte sind primär dem kühlen Jahrgang geschuldet, doch viele Betriebe passen sich bewusst dem veränderten Konsumverhalten an. „Ich höre immer häufiger, dass junge Leute keinen Wein mehr verschenken wollen – wegen des Alkohols“, sagt Grit Schedlinski, Geschäftsführerin des Weinguts von Othegraven. Wie viele andere arbeite man daher nun auch am ersten eigenen entalkoholisierten Wein – „unter einer Bedingung“, so Schedlinksi augenzwinkernd: „Er muss unserem Kellermeister schmecken.“
Auch das Thema Transparenz beim Etikett beschäftigt die Branche: Mit dem Jahrgang 2024 müssen erstmals die im Wein enthaltenen Nährwerte und Zutaten deklariert werden. Nur wenige Weingüter wie das Weingut Ökonomierat Rebholz in der Pfalz drucken die komplette Tabelle direkt auf die Flasche. Meist geschieht dies eher via QR-Code, lediglich die Kalorienzahl findet sich auf dem Etikett selbst. Der Hauptgrund: die Ästhetik, nicht die Angst vor Transparenz, wie mancherorts vermutet wird. Begeisterung löst die neue Regelung sowohl bei den Produzent:innen als auch bei den Konsument:innen nur selten aus.
Ganz anders als das letzte große Thema der Messe: der deutsche Sekt. Seine Renaissance ist keine bloße Floskel mehr, sie ist spürbar. Kaum ein Weingut verzichtet auf ein Schaumweinangebot, eine eigene Verkostungszone lädt zum selbständigen Probieren ein und mit der Aufnahme des renommierten Sektguts Reinecker aus Baden wurde die Relevanz der Kategorie auch institutionell noch einmal unterstrichen.
Die 51. VDP.Weinbörse hat gezeigt, dass sich die deutsche Spitzenweinbranche trotz widriger Rahmenbedingungen nicht entmutigen lässt. Im Gegenteil: Mit Mut, Innovationsgeist und einem klaren Bekenntnis zu Qualität, Herkunft und Verantwortung stellt sich der Verband den Herausforderungen der Gegenwart. Dass dabei nicht nur Probleme, sondern auch Perspektiven im Mittelpunkt standen, macht die Messe zu weit mehr als einer Leistungsschau. Sie darf als Appell nicht nur an die Branche, sondern auch an uns Konsumentinnen und Konsumenten verstanden werden; als ein Statement für die Zukunft des Weins in Deutschland.
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