Aldinger

Eine Flasche Wein gehört getrunken!

Die Gault&Millau Hall of Fame 2022: Weingut Aldinger  

Liebe Leserin, lieber Leser,

im vergangenen Jahr haben wir erstmals in der langen Geschichte unseres Wein-Guides Deutschland zehn Weingüter mit der Höchstwertung von fünf roten Trauben ausgezeichnet. Diese Winzer und ihre Erfolgsgeschichten möchten wir Ihnen in unserem Newsletter vorstellen. Den Anfang macht Familie Aldinger vom gleichnamigen Weingut im württembergischen Remstal vor den Toren Stuttgarts. Diese berichtet uns von einer Neuerung, die aufhorchen lässt.

Hansjörg, 41, und Matthias Aldinger, 40, führen das Weingut in mittlerweile 16. Generation. Zusammen mit ihrem Vater Gert, 65, der sich als „Außenminister des Weinguts“ bezeichnet, haben sie die Qualität der Weine erheblich nach vorne gebracht. Neben regionalen Rebsorten wie Lemberger, Trollinger, Riesling bauen die Aldingers auch Merlot und Cabernet Sauvignon an – eine große Bandbreite also. Aus Sicht der Brüder fast zu viel, sie wollen die Sortenvielfalt etwas straffen. Überhaupt sind sie eher dafür, zugunsten der Qualität den Ertrag zu reduzieren. Früher galt so etwas als Sakrileg, besonders im sparsamen Schwabenland.

Weinbau ist immer eine Evolution – und eine persönliche Geschmackssache. Die Trend-Rebsorten ändern sich, mal ist schwerer, im Barrique ausgebauter Chardonnay in Mode, mal frischer, leichter Sauvignon. Dazu kommt der menschliche Faktor, dessen Einfluss auf den Wein nicht zu unterschätzen ist. Im Fall der Aldingers ergeben die drei unterschiedlichen Charaktere des Trios eine hochinteressante Cuvée. „Unser Vater ist impulsiv und kommunikativ, manchmal vielleicht etwas ungeduldig“, sagt Matthias, „und so sind auch seine Weine. […] Wir sind vielleicht besonnener, ruhiger“. Dementsprechend elegant schmecken auch die Weine der Brüder.

Diese sind froh, dass sie dank ihres umtriebigen „Außenministers“ im Hintergrund tüfteln können. „Wir lassen lieber den Wein sprechen, als groß auf die Pauke zu hauen“, sagt Matthias. Der Erfolg seines jüngsten Babys, des Jahrgangssekts „Aldinger Brut nature“, freut ihn natürlich trotzdem. Bei den deutschlandweiten Gault&Millau-Sektverkostungen kam der fünf Jahre in einem Bunker gelagerte Winzersekt wiederholt auf Platz eins. Der „Brut nature“ und die Rotwein-Cuvée „GJA Reserve“ sind mit 50 Euro die teuersten Posten auf der Preisliste, und das soll auch vorerst die Schallgrenze bleiben. Den derzeitigen Hype um deutsche Spitzenweine, für die Sammler Tausende Euro zahlen, quittiert Gert Aldinger mit einem Kopfschütteln. „Ab einem bestimmten Grad ist der Wein dann nur noch ein Spekulationsobjekt“, sagt er, „da gehe ich ehrlich gesagt nicht mehr mit.“ Er nimmt einen Schluck kühlen Weißburgunder: „Eine Flasche Wein gehört getrunken!“

Im Jahr 2022 werden die Aldinger-Brüder mit einer Neuerung an die Öffentlichkeit treten: einem komplett neuen Großen Gewächs! Aus Riesling-Trauben der berühmten Lage Stettener Pulvermächer wurde bereits im Jahrgang 2020 ein Wein gekeltert, der auf seine Enthüllung im September dieses Jahres wartet. Der Wein wird das erste GG sein, welches die Aldingers aus Trauben dieses zu 100 Prozent mit Riesling bestockten Weinberges vinifiziert haben. Bisher wurde sie als Erste Lage bewirtschaftet und nun zur Großen Lage aufgewertet. Matthias Aldinger bezeichnet die Rieslinge aus dem Pulvermächer als „bekannt für ihre Mineralität und Feinfruchtigkeit“. Wir sind gespannt!

Foto: Joachim Baldauf

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