„Mit meiner Arbeit kann ich Menschen glücklich machen“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Wald Königsberger Marzipan

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Ralf Bentlin

Man nehme süße und bittere Mandeln, Zucker und Rosenwasser, mische alles unter Beachtung des geheimen Familienrezepts und gebe es bei starker Oberhitze in den Ofen, sodass die Oberfläche knusprig braun karamellisiert. Fertig ist eine ganz besondere Nascherei, die auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt und besonders jetzt in Vorweihnachtszeit auf keinem bunten Teller fehlen darf: das Königsberger Marzipan. Ralf und Zino Bentlin widmen sich in ihrer seit 75 Jahren bestehenden Berliner Manufaktur Wald ganz der Herstellung des raren Produkts – mit reiner Handarbeit, unverfälschtem Geschmack und viel Hingabe. Für uns gehören Sie zu den besten Lebensmittelerzeugern Deutschlands.

Zartrosa-weiß gestreifte Tapeten, unzählige Fotos und Zertifikate an den Wänden, buntes Stanniolpapier, eine Auslage wie direkt aus dem Schlaraffenland entnommen. Wer den Verkaufsraum der geschichtsträchtigen Confiserie Wald in Charlottenburg betritt, den umweht der Charme einer längst vergangenen Zeit. Das verwundert wenig, schließlich existiert der Betrieb bereits seit einem Dreivierteljahrhundert. 1947 gründete Konditormeister Paul Wald gemeinsam mit seiner Ehefrau Irmgard das Unternehmen in der Pestalozzistraße, wo es noch heute seinen Sitz hat. Als der gebürtige Ostpreuße 1939 nach Berlin zog, hatte er bereits das Rezept für das damals noch viel populärere Königsberger Marzipan im Gepäck. Bis heute liegt die Führung der Confiserie Wald in Familienhand.

Im Rahmen der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs geriet das Königsberger Marzipan – auch aufgrund der Auslöschung vieler Erzeugerbetriebe – etwas in Vergessenheit. Heute widmen sich deutschlandweit nur noch wenige Produzenten dem aufwendigen Handwerk seiner Herstellung. Im Gegensatz zu vielen anderen nach geographischen Orten benannten Produkten muss das Königsberger Marzipan nicht im heutigen Kaliningrad produziert worden sein. Der Name steht inzwischen für die besondere Sortenspezifik dieses Marzipans, das sich vom bekannteren Lübecker Marzipan eklatant unterscheidet.

So werden im Königsberger Marzipan nicht nur blanchierte Süßmandeln verarbeitet, sondern auch ein erheblicher Teil Bittermandeln hinzugegeben. Außerdem, und das sei das wirklich Besondere, sagt Zino Bentlin, wird das Marzipan mit einem kleinen Schuss Rosenwasser veredelt. Anschließend muss es noch geformt und – das äußerlich erkennbarste Charakteristikum – abgeflämmt werden. Das so entstandene Konfekt sieht nicht nur hinreißend aus und macht sich gut auf jeder Kaffeetafel, sein Duft und gerade erst sein Geschmack haben etwas Betörendes. Wenn die karamellisierte Oberfläche beim Hineinbeißen leicht knackt und die zarte Marzipanmasse auf der Zunge zu schmelzen beginnt, versteht man die Menschen, die sich dafür sogar bei Regen und Schnee anstellen, wenn die Schlange vor dem Waldschen Verkaufstresen wieder kein Ende zu nehmen scheint und längst nicht an der Ladentür endet.

Allzu lange sollte man sich den Genuss übrigens nicht einteilen wollen. Das mehr als 100 Jahre alte Familien-Geheimrezept beinhaltet nämlich keinerlei Konservierungsstoffe. Und auch sonst legen Ralf und Zino Bentlin viel Wert auf traditionelle Arbeitsweisen: „Das Besondere an unserem Produkt ist, dass wir es komplett in Handarbeit herstellen. Wir haben hinten keine einzige Maschine stehen, die uns die Arbeit abnehmen würde. Jedes Stückchen Marzipan wird per Hand geformt, ggf. überzogen und belegt.“ Und das kann man schmecken. Ebenso die penibel selektierten Ausgangsprodukte wie die zurzeit aus dem Mittelmeerraum importierten Mandeln und das iranische Rosenwasser. Wieso zurzeit? „Wir prüfen jedes Jahr, woher wir die besten Mandeln bekommen können. Wir hatten auch schon einige Jahre lang sehr gute kalifornische Mandeln hier, aktuell scheinen uns die aus dem mediterranen Raum geeigneter.“

Wer einmal das Königsberger Marzipan aus Ralf und Zino Bentlins Herstellung probiert hat, geht damit zwar ein kleines Suchtrisiko ein, muss sich jedoch nicht um die Beschaffung sorgen. Im gut strukturierten Online-Shop können die Berliner Köstlichkeiten bequem nach Hause bestellt werden. Und auch wenn diese noch immer eher als Geheimtipp gehandelt werden, ist die Zukunft des Familienunternehmens gesichert. Mit dem 28-jährigen Zino Bentlin, dem Urenkel des Gründers Paul Wald, steht bereits die vierte Generation hinter der Arbeitsplatte, und das wird auch erst mal so bleiben: „Ursprünglich hatte ich andere Pläne, habe BWL studiert, mal hier und da gejobbt, aber so richtig gefallen hat mir das nicht. In der Weihnachtszeit habe ich immer wieder bei meinem Vater ausgeholfen und irgendwann bin ich dann einfach hiergeblieben. Seitdem habe ich auch nicht zurückgeschaut und bin sehr zufrieden damit. Ich freue mich immer zu sehen, wie ich mit meiner Arbeit Menschen glücklich machen kann.“