„Ich liebe es, eine Atmosphäre zu kreieren“

Sarah Hallmann im Porträt
Gastronomin des Jahres 2023I24

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TEXT Nick Pulina | FOTO birdyfoto

Im Herzen Neuköllns, unweit der berühmten Sonnenallee am Böhmischen Platz, findet sich ein charmantes Eckrestaurant, das für viele Berliner:innen längst ihr liebster kulinarischer Rückzugsort geworden ist: das Hallmann & Klee. In wenigen Lokalen der Hauptstadt versteht man sich so gut darauf, seine Gäste willkommen zu heißen und sie in professioneller Wohlfühlatmosphäre nach allen Regeln der gastronomischen Kunst zu verwöhnen. Von niemandem wird diese Symbiose aus Service, Ambiente und Küche mehr verkörpert als von der Gründerin des Restaurants selbst: Sarah Hallmann. Sie ist ausgebildete Köchin und passionierte Gastgeberin und weiß ihre Talente jederzeit so einzusetzen, dass sowohl bei den Gästen als auch ihrem Team keine Wünsche offen bleiben. Für uns ist sie die Gastronomin des Jahres 2023I24.

In Stuttgart geboren, das Studium in Bayreuth absolviert, anschließend in Berlin ausgebildet – Sarah Hallmann hat geografisch wie inhaltlich einen wendungsreichen Weg hinter sich. Dass dieser sie eines Tages zu ihrem eigenen Restaurant in der Bundeshauptstadt führen würde, war zu Beginn noch keinesfalls vorherzusehen: „Ich habe zwar schon immer gerne gekocht und Menschen zu mir nach Hause eingeladen, aber nach dem Abi wollte ich doch erst einmal studieren“, blickt Hallmann zurück. Das Studienfach: geografische Entwicklungsforschung Afrikas. Sie habe schon immer Menschen helfen wollen, im Laufe der Zeit allerdings festgestellt, dass sie dies lieber unmittelbar und direkt tun würde als mit der Nase in Büchern und Statistiken. Also fasste sich die Gastronomin nach Abschluss ihres Studiums ein Herz und machte sich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz als Köchin. In welcher Position kann man Menschen schließlich schneller und effektiver glücklich machen und ihre Reaktionen ganz nebenbei direkt miterleben?

Als Hallmann ihre Ausbildung im Berliner Haubenrestaurant Facil beginnt, ist sie schon Anfang 20 und damit deutlich älter als die meisten ihrer Azubi-Kolleg:innen. Ein deutlicher Vorteil für die inzwischen 38-Jährige: „Dadurch habe ich ein relativ gesundes Verhältnis zur Gastronomie aufbauen können. Ich hatte ein Leben außerhalb der Gastronomie, viele Freunde, die überhaupt nichts damit zu tun hatten. Außerdem war mein Charakter schon etwas stärker und geformter als er es gewesen wäre, wenn ich mit 16 angefangen hätte. So konnte ich alles, was ich in der Ausbildung gemacht, gelernt und erlebt habe, sehr bewusst tun und manche Dinge eben auch bewusst von mir fernhalten.“

Dafür, dass ihre Angestellten im Hallmann & Klee heutegar nicht erst in die Situation kommen, viel von sich fern halten zu müssen, engagiert sich die Gastronomin mindestens genauso sehr wie für das Wohl ihrer Gäste. Ihr eher weiblich geprägtes Team ist eingespielt, man pflegt ein aufrichtig freundschaftliches Verhältnis untereinander und arbeitet auch unter Stress – den es im Restaurantbetrieb nun einmal gibt und geben muss – achtsam miteinander. Dass Hallmann, selbst Mutter eines Sohnes, für Teammitglieder mit Kindern flexible Arbeitszeitregelungen ermöglicht, liegt für sie auf der Hand: „Kinder sind schließlich unsere Zukunft“.

Wie ihre eigene Zukunft aussehen sollte, war der jungen Azubi im Berliner Facil mittlerweile klar geworden: „Ich habe meine Ausbildung mit dem Ziel gemacht, dass ich irgendwann ein eigenes Restaurant haben möchte. Kurz danach ging es mir also hauptsächlich darum, noch ein paar Erfahrungen zu sammeln und auch einfach noch etwas Geld zu verdienen, weil ich keine Investoren im Hintergrund hatte. So bin ich auch erzogen worden: Wenn man selber Geld verdient, kann man es einsetzen, wie man will. Und bei meinem Restaurant wollte ich nicht von den Meinungen anderer abhängig sein.“

Unabhängig von Geldgebern und voller Tatendrang, etwas Neues zu schaffen, konnte Hallmann also etwas wagen, was unter den gestrengen Augen manch eines Investors so wahrscheinlich nicht hätte passieren können: Im Jahr 2016 eröffnete sie das Hallmann & Klee – und zwar als Tagesrestaurant mit Frühstücks- und Mittagsservice. „Ich glaube, das war damals so ein bisschen der Zeitgeist in Berlin“, erläutert sie die ursprüngliche Philosophie ihres Restaurants. „Als wir 2015 mit der Planung begonnen haben, gab es tagsüber wenig Gutes zum Essengehen. Für das Abendessen gab es coole Restaurants, aber tagsüber lag das Land noch relativ brach. Da gab es dann halt Schrippen mit Aufschnitt. Das musste anders werden.“

Und es wurde anders. Schnell war das Hallmann & Klee der vielleicht spannendste Geheimtipp der Stadt. Die Gäste kamen morgens, blieben zum Mittagessen und wollten nachmittags immer noch nicht wieder gehen. Das hiesige Frühstück war etwas, das jede:r Berliner Foodie mindestens einmal erleben wollte – nur um schnell Stammgast zu werden. Doch ewig konnte das so nicht weitergehen: „Als wir gemerkt haben, dass die Gäste bis zum Abend geblieben sind, haben wir schnell eine kleine Barkarte improvisiert, die dann immer weiter professionalisiert wurde. Es gab ja offensichtlich großes Interesse daran, auch abends bei uns zu essen. Also haben wir uns 2018 dazu entschieden, nur noch am Wochenende tagsüber zu öffnen und abseits davon in den Abendservice zu gehen. Das Frühstück war zwar immer voll, aber eigentlich haben wir abends das Geld verdient. Dann kam Corona und letzten Endes habe ich beschlossen, dass ich nur so wiedereröffnen würde, wie ich es eh schon lange haben wollte: Mein Herz hatte schon lange zum Abend tendiert.“

Doch die Stammgäste und Freund:innen des einstigen ‚hidden gem‘ der Berliner Tagesgastronomie können aufatmen: „Ab und an machen wir immer noch kleine Brunch-Popups, weil die Fangemeinde unserer Frühstücksgäste uns immer noch mit Emails und Anrufen bombardiert. Also haben wir uns in diesem Frühjahr, das für die gehobene Gastronomie ja auch nicht allzu einfach war, spontan dazu entschieden, ein Popup zu starten. Innerhalb von zwei Stunden waren alle 100 Plätze ausgebucht.“ Eines lag Hallmann dabei allerdings besonders am Herzen: „Wenn ich nochmal ein Frühstück anbiete, möchte ich die Bedürfnisse der alten Gäste befriedigen, sie aber zugleich auch auf unsere neue Reise mitnehmen. Ich wollte mich nicht zurückverbiegen. Dementsprechend gab es also statt Fine Dining eben Fine Breakfast: ein paar Klassiker aus der Abendkarte, ein paar Klassiker aus der Frühstückszeit, ein paar neue Gerichte. Und das ging sich am Ende auch sehr gut aus.“

Sarah Hallmann ist es gelungen, „mit Freundlichkeit, Klarheit, Wertigkeit und höchsten Professionellen Ansprüchen bei einer großen Gelassenheit, wie sie nur begründete Selbstsicherheit verleiht“ – so heißt es in der Auszeichnungsbegründung – einen Ort zu schaffen, der zeitgemäße gehobene Gastronomie und das uneingeschränkte Gefühl des Willkommenseins vereint. Gleich, ob sie nun abends zusammen mit Janine Woltaire und Patricia Lee ihre Gäste begrüßt, tagsüber das Küchenteam um Rosa Beutelspacher unterstützt oder einfach immer dort einspringt, wo es gerade brennt: Hallmann ist Gastronomin durch und durch.

„Es ist ein vielseitiger Beruf und ich lebe ihn auch sehr vielseitig aus, weil ich im Restaurant überall mit anpacke. Ich liebe es, eine Atmosphäre zu kreieren. Das ist auch das Tolle daran, Gastronomin zu sein: Man kann sehen, wie seine Arbeit ankommt, es gibt ein direktes Feedback. Man geht abends nach Hause und weiß, was man gemacht hat. Es ist ein Beruf, der manchmal viel von einem abverlangt, aber ich habe gemerkt, dass ich dafür lebe. Mir macht der Stress Spaß, mir macht es Spaß, ein Team aufzubauen und mit ihm zu arbeiten, mir macht es Spaß, über Essen nachzudenken und neue Gerichte zu entwickeln. Der Beruf ist so umfassend und so komplex, dass er mir auch nach sieben Jahren immer noch nicht langweilig geworden ist.“