„Apfelsaft ist nicht gleich Apfelsaft“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Obstkelterei van Nahmen

TEXT Nick Pulina | FOTOS Obstkelterei van Nahmen

Alkoholfreier Sekt, Bierlimonanden, nachträglich entalkoholisierter Wein – das neue Jahr hat auch dieses Mal wieder für viele mit dem ‚Dry January‘ begonnen. Auf den Alkohol wollten wir verzichten, nicht aber auf den Genuss. Dieser ist bei manch einem der Substitute allerdings durchaus fraglich. Greifen Sie in Zukunft lieber zu den Produkten eines echten Originals: Peter van Nahmens Fruchtsäfte sind weit mehr als ein Ersatzprodukt für abstinente Weinfreunde. Mit seinen sortenrein ausgebauten Säften, spritzigen Frucht-Seccos und vielem mehr gehören er und seine Obstkelterei van Nahmen für uns zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Haben Sie schon einmal von der Roten Sternrenette gehört? Von Kaiser Wilhelm, Cox Orange, Jonagold, Schöner von Boskoop, Rubinette, Topaz, Elstar und dem Rheinischen Bohnapfel? All dies sind alte Apfelsorten, die in der Obstkelterei van Nahmen im niederrheinischen Hamminkeln verarbeitet werden. Und es sind bei weitem nicht alle. Das Besondere an ihnen ist, dass diese Äpfel nicht einfach querbeet gesammelt, gepresst und abgefüllt werden, sondern der Saft jeder Sorte einzeln ausgebaut wird. „Das ist etwas ganz Besonderes an unserem Betrieb“, sagt Peter van Nahmen. „Ich habe im Jahr 2007 mit dem sortenreinen Ausbau begonnen. Angefangen haben wir mit der Roten Sternrenette, einer Sorte, die bei uns nur auf Streuobstwiesen wächst und mittlerweile ziemlich selten geworden ist.“

Die nachhaltig bewirtschafteten Streuobstwiesen sind gewissermaßen das Herz des Betriebs. Mittlerweile bezieht van Nahmen Früchte von rund 330 verschiedenen Wiesen. Ein Umstand, den er der Vorarbeit seines Vaters Rainer zu verdanken hat. Dieser hatte sich Mitte der 90er-Jahre mit dem Naturschutzbund zusammengetan, um Schutzmaßnahmen für die noch bestehenden Streuobstwiesen zu ergreifen. Einst waren sie zahlreich vorhanden, um Bauernfamilien das ganze Jahr über mit frischem Obst versorgen zu können, doch ab den 1960ern mussten sie zunehmend industrialisierten Plantagen weichen. Es gab sogar staatliche Abholzungsprämien für Streuobstwiesen, um Platz für große Monokultur-Betriebe zu schaffen. Der ökologische Aspekt der Wiesen ist erst Ende der 80er-Jahre wiedererkannt worden. Seltene Tierarten wie der Steinkauz leben hier, die Konservierung der vielen Apfelsorten ist ebenfalls ein Anliegen der Naturschützer.

Rainer van Nahmen und der Naturschutzbund entwickelten daraufhin ein Konzept, nach dem die Landwirte mit ihren Streuobstwiesen mehr verdienen konnten als mit einer Umstellung auf industrialisierten Betrieb. Dazu verkaufte van Nahmen vom Naturschutz bereitgestellte Obstbaumsetzlinge an die Bauern, deren Früchte er ihnen später für einen erhöhten Preis wieder abnahm, verarbeitete und als das Premium-Produkt, das es schon damals war, gewinnbringend an die Endkunden vertrieb. Von dieser Pionierarbeit profitieren Natur, Lieferanten und Kelterei bis heute.

Der 1917 von Wilhelm van Nahmen gegründete Betrieb ist nach wie vor in Familienhand. Peter van Nahmen führt ihn in vierter Generation. Währenddessen hat sich viel getan. Der sortenreine Ausbau der Fruchtsäfte – neben dem Apfel auch aus Weintrauben, Pflaumen, Tomaten und vielem mehr – war wohl die größte Neuerung der letzten 15 Jahre. Die wichtigste Konstante aber, und das betont van Nahmen ausdrücklich, sei jederzeit die kompromisslose Qualität des Obstes gewesen. Nur aus einwandfreien Früchten könne wirklich guter Saft hergestellt werden.

Ein wahrer Kassenschlager sind auch die Frucht-Seccos geworden. Ein bisschen süß sind sie zwar, durch eine ausgeprägtes Säurespiel und zum Teil sogar durch ein bisschen Gerbstoff werden sie allerdings nie limonadig, sondern bleiben erfrischend spritzig. „Die Seccos haben wir auf Wunsch der Gastronomie hin erarbeitet. Denken Sie mal zurück. Wenn Sie früher bei einer Hochzeit oder einem Empfang eingeladen waren und keinen Alkohol trinken wollten, haben Sie entweder Mineralwasser oder Orangensaft bekommen“, erinnert sich van Nahmen. Mit seinen vier unterschiedlichen Seccos hat er eine Marktlücke geschlossen, die auch gerade jetzt im Januar wieder für freudige Gesichter gesorgt hat: „Man merkt schon, dass der ‚Dry January‘ einen Einfluss auf unser Geschäft hat. Wir sind medial nochmal viel präsenter und das merkt man auch an den Verkäufen.“

Doch ob Januar oder nicht, die Fruchtsäfte von van Nahmen sind zu jeder Jahreszeit ein Genuss und eine waschechte Alternative zum Wein. Wie auch dieser kann nämlich ein gut produzierter Apfelsaft eine ungeahnte Aromenvielfalt bieten. Durch den separaten Ausbau variiert diese nicht nur von Sorte zu Sorte, sondern auch von Jahrgang zu Jahrgang – ganz wie beim Wein. Die Varianz der unterschiedlichen Apfelbäume, von denen van Nahmen die Früchte bezieht, bringt den großen Vorteil der verschiedenen Reifezeitpunkte mit sich. Ein Schlüssel zu der herausragenden Qualität dieser Säfte liege laut van Nahmen in der genau terminierten Ernte: „Wir wollen, dass jede einzelne Frucht vollreif geerntet wird. Nur so können wir am Ende die perfekte Balance aus Fruchtzucker und Fruchtsäure garantieren. Und die macht einen guten Saft aus.“

Mittlerweile erweitert auch eine Kollektion aus mit Fruchtsaft und Kohlensäure versetzten Eistees das Sortiment von van Nahmen. Er habe ein ähnliches Teegetränk in einer alkoholfreien Getränkebegleitung im Restaurant bekommen und sich gedacht, dass das, mit einem Schuss Fruchtsaft veredelt, einen wirklich großen Genuss bieten könnte. Kurz darauf wurde eine Teeverkostung anberaumt, 35 verschiedene Sorten probiert und sich schlussendlich für eine Aufbrühtechnik entschieden, die in 24 bis 28 Stunden ganz ohne Erhitzung des Wasser die Aromen aus dem Tee extrahiert. Mit etwas Fruchtsaft, Kohlensäure und einigen Geschmacksgebern wie Vanille, Verbene oder Rose versetzt, ergibt dies ist eine weitere alkoholfreie Alternative zum Schaumwein – sogar mit weniger Zucker.

Doch auch wer nichts mit Fastenkuren à la Dry January und Kohlenhydratverzicht am Hut hat, kann bei der Obstkelterei fündig werden. Aus einem Frankreichurlaub hat Peter van Nahmen die Idee mitgebracht, aus seinen Äpfeln auch hochwertigen Cidre herzustellen. Diese wurde prompt umgesetzt und so finden sich nun zwei verschiedene Apfelweine im Portfolio: ein fruchtsüßer mit zwei und ein trockener mit vier Prozent Alkohol. „Davon kann man rein physiologisch schon gar nicht so viel trinken, dass man danach nicht mehr fahren dürfte“, so van Nahmen augenzwinkernd.

Das nächste Projekt des Saftmeisters soll ein gelber Tomatensaft werden. Einen roten von der Datterino-Tomate gibt es schon, nun soll der gelbe aus sonnengereiften Tomaten der Emilia-Romagna folgen. Außerdem entwickelt van Nahmen gerade einen Saft aus wilden piemonteser Pflaumen und hat eine neue Zusammenarbeit mit vier Landwirten im südlichen Münsterland gestartet, die ihn ebenfalls mit besonderen Pflaumen versorgen. „Bei uns wird es nie langweilig, wir sind immer auf der Suche nach neuen Ideen, Projekten und Sorten.“