10 Fragen an … Rebecca Fischer, Entdeckung des Jahres 2023I24

Schlicht ist das gute Einfache

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INTERVIEW Nick Pulina | FOTO birdyfoto

Pop-up-Restaurants und Supperclubs sind in aller Munde. Ständig eröffnet irgendwo ein tolles Restaurant, nur um wenige Wochen später für immer in der Versenkung zu verschwinden. Das ist spannend, kann aber auch ungemein deprimieren. Doch auch aus Konzepten dieser Art kann Großes und schließlich doch Beständiges erwachsen. Das zeigt das Team des Koblenzer Restaurants Schlicht.Esslokal um Küchenchefin Rebecca Fischer. Alle zwei Wochen öffnet man hier für jeweils drei Tage die Türen, um seine Gäste mit feinster Produktküche auf einem Niveau zu begrüßen, wie man es selbst in Berlin nur selten antrifft.

Rebecca Fischer hat mit ihren 41 Jahren schon ein bewegtes Leben hinter sich: Abitur nach Wechsel von der Realschule, abgeschlossenes Geografiestudium, anschließende Kochausbildung als alleinerziehende Mutter zweier Kinder, zahlreiche Stationen, mehrere selbst organisierte Pop-Ups und schließlich das eigene Restaurant. Mit uns spricht die Gault&Millau Entdeckung des Jahres 2023I24 über die gastronomischen Vorteile einer naturwissenschaftlichen Ausbildung, das Schöne im Schlichten und warum in ihrem Esszimmer ein Bild von einer Kuh hängt.

1. Frau Fischer, was haben eine Geografin und eine Köchin gemeinsam?
Geografie und Kochen liegen gar nicht so weit voneinander entfernt. Der Bezug zur Natur und zur Landwirtschaft ist ein riesengroßer Teil des Kochens. Dass ich etwas von Naturwissenschaften wie Physik und Chemie verstehe, ist beim Kochen sehr hilfreich, wenn es zum Beispiel um Temperaturen und Garpunkte geht, um Zusammensetzungen oder Reaktionen verschiedener Produkte. Und in den Gesprächen mit Produzent:innen hilft es mir auch oft, wenn es um Bodenstrukturen geht. Da ist es schon gut, wenn man zusammen weiß, worum es geht und worauf es ankommt.

2. Wie schmeckt Ihre Kindheit?
Die schmeckt nach einem Mischmasch aus der industrialisierten Seite des Kochens und ganz traditioneller, deutscher Hausmannskost. Ich habe sehr positive Erinnerungen an das Essen in meiner Kindheit. Das liegt aber nicht immer daran, wie es gekocht wurde und was es gab. Ich bin, wie viele in meiner Generation, Kind der Instant-Tütensuppen, hatte aber auch viele Menschen in meinem Umfeld, die das anders gehandhabt haben. Auch heute noch sehe ich ganz oft meine Großeltern vor mir, wie sie zusammen am Wohnzimmertisch sitzen und dicke Bohnen aus ihrem eigenen Garten schneiden. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

3. Und wie möchten Sie, dass die Kindheit Ihrer Kinder schmeckt?
Die Kindheit meiner Kinder schmeckt nach Weizenmehl, Tomate und Käse, und das in allen Variationen. Gleichzeitig weiß ich aber, dass wir so viel Angebot schaffen, dass das mit den Jahren schon noch kommen wird. Meine Kinder wissen, welches Gemüse und welches Obst zu welcher Zeit im Jahr wächst. Das war schon mal ein Hauptziel, das ich erfolgreich erreicht habe. Und so würde ich mir einfach wünschen, dass sie irgendwann neugierig werden und anfangen zu probieren.

4. Wie ist es, als Mama von zwei Kindern noch einmal komplett umzuschwenken und wieder die Schulbank zu drücken?
Das war durchaus sehr herausfordernd. Die Schulbank zu drücken ist eine Sache, aber die Schulbank zu drücken und abends in der Gastronomie zu arbeiten, ist eine andere Sache. Die Arbeitszeiten waren wirklich überhaupt nicht familienfreundlich. Und ich war ja nicht nur Mutter von zwei Kindern, sondern alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Ohne unser Au Pair hätte das nie funktioniert.

5. Was ist der Unterschied zwischen schlicht und langweilig?
Schlicht ist das gute Einfache. Langeweile ist ermüdend.

6. Was ist so schlicht am Schlicht?
Für die Gäste ist es das Ausblenden der Außenwelt, das Fokussieren auf den Moment und die Purheit der Produkte auf dem Teller. Gerade der Fokus auf den Moment ist für uns in der Küche auch sehr wichtig. Den Namen des Restaurants hat eine Freundin von mir ins Spiel gebracht. Wir haben sehr oft und viel darüber gesprochen und irgendwann habe ich ihr erklärt, wie das Restaurant für mich sein soll: „Vor allem muss es super schlicht sein“. Da hat sie gesagt: „Ja, dann nenn es doch so“. So war das dann geboren.

7. Haben Sie eine kulinarische ‚unpopular opinion‘?
Ich esse zu jeder Zeit lieber einen sehr guten Döner als ein mittelmäßiges Menü.

8. Was möchten Sie nie wieder essen?
Da fallen mir tausend Sachen ein, die aber alle zu gemein wären, um sie jetzt zu sagen. Deshalb möchte ich das auch lieber nicht machen (lacht). Stattdessen eine Utopie: Ich möchte total gern kein schlechtes Essen mehr essen.

9. Von welchem Produkt würden Sie sich ein Gemälde in die Küche hängen?
Grundsätzlich bin ich erst mal ganz froh, dass ich keins habe. Ich muss da sofort an diese Paprika-Tomate-Espresso-Bilder denken, die man in vielen Haushalten findet (lacht). Wenn es gut gemalt ist, würde ich mir eigentlich fast jedes aufhängen. Ich habe mal bei uns in Koblenz im Museum Ludwig ein Gemälde von einem Blumenkohl gesehen, das war wunderschön. Das hätte ich auch gekauft. Allerdings lag das eher an der Gesamtkonzeption des Bildes und weniger am Blumenkohl selbst. In meinem Esszimmer hängt ein Gemälde von meiner Lieblingsproduzentin. Man sieht eine Herde Kühe im schönen Maifeld. Die Kuh liefert uns mit dem Grundprodukt Milch sehr viele Komponenten fürs Menü.

10. Gibt es etwas, das Sie uns sagen wollen?
Esst schlicht.

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