„Wir sind keine Fabrik“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Gutshof Polting

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Gutshof Polting

Karpfen, Schleien, Zander, Wild aus eigener Jagd und Schafe, Schafe, Schafe: Man ist vielseitig aufgestellt auf dem Gutshof Polting bei Neuhofen in Niederbayern. Doch ein Produkt hat es der deutschen Spitzengastronomie besonders angetan: das unvergleichliche Lammfleisch aus der hofeigenen Züchtung. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz für beste Lebensbedingungen ihrer Tiere und die damit einhergehenden hohen Qualitätsstandards, gehört Familie Riederer von Paar vom Gutshof Polting zweifelsohne zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Stolze 700 Mutterschafe stehen auf den Weiden der Riederers von Paar. Hier können sich ihre Schafe – alles Merinos, lediglich einige der Böcke sind Schwarzkopfschafe – samt der Jungtiere nach Herzenslust mit den wild wachsenden Kräutern vollschlagen. Jeden Abend geht es zurück in die Ställe. Das ist zwar aufwendig, bietet den Schäfern aber eine bessere Kontrolle über ihre Herden. In der Winterzeit, die die Tiere in ihren warmen Behausungen verbringen, werden sie mit selbst hergestelltem Futter aus eben jenen Wildkräutern versorgt, die sie auch den Rest des Jahres zu fressen bekommen. „Mit 700 Schafen sind wir aber auch am Limit angekommen, sei es bei der Stallkapazität oder auch in der Futterherstellung. Da ist irgendwann auch mal eine Grenze gesetzt. Wir sind keine Fabrik“, sagt Leonhard Riederer von Paar, der bereits in fünfter Generation Teil des Familienbetriebs ist.

Doch Futter und Zeit auf der Weide sind nur zwei von vielen Aspekten, die das Fleisch der Polting-Lämmer so besonders macht. Ein weiterer essentieller Faktor ist die Schlachtung der Tiere, die Leonhards Vater Franz maßgeblich vorangetrieben hat. Sie wird in der eigenen Metzgerei des Hofes durchgeführt. Dahinter steht eine klare Philosophie: „Wir haben hier ein geschlossenes System. Die Schafe werden auf dem Hof geboren, wachsen hier auf, fressen auf unseren Flächen und werden mittlerweile auch hier geschlachtet, zerlegt und von hier aus ausgeliefert“, sagt Leonhard Riederer von Paar. „Wir nehmen uns Zeit für jedes Tier und schlachten nur in kleinen Mengen. Im Schlachthof geht es oft um jede Minute, bei uns soll es lieber ordentlich gemacht werden. Wenn das dann ein zwei Stunden länger dauert, ist das auch in Ordnung.“

Der Gutshof wird seit 1899 von seiner Familie geführt. Doch erst Leonhards Großvater Johannes wagte den Schritt in die Direktvermarktung und damit in die Spitzengastronomie: „Vor dreißig Jahren hat er angefangen, sich in München mit Köchen wie Eckart Witzigmann und Otto Koch zu unterhalten. Sie haben bedauert, dass sie wirklich tolle Lämmer nur aus Frankreich und nicht aus Deutschland bekommen konnten. Also haben sie gemeinsam daran getüftelt, ob man das nicht ändern könnte.“

Und wie man es ändern konnte! Das Lammfleisch vom Gutshof Polting steht noch immer auf der Speisekarte der wichtigsten Restaurants Münchens. Sei es bei Tohru Nakamura, Sigi Schelling, Jan Hartwig oder vielen mehr, sie alle gehören zu den Abnehmern. Auch außerhalb Münchens freuen sich immer mehr Köche über das besondere Produkt. Auf der Bestellliste stehen beispielsweise Tobias Bätz vom Restaurant Alexander Herrmann in Wirsberg und Michael Kempf vom Berliner Facil. Mittlerweile können sogar Endverbraucher in den Genuss der Spezialitäten des Gutshofs kommen, ohne dafür ihr Haus verlassen zu müssen: Zur Hochzeit der Pandemie wurde nämlich ein Polting-Onlineshop eröffnet, in dem nun jeder nach Herzenslust einkaufen und die Produkte der Riederers von Paar beziehen kann.

Dass der mittlerweile 32-jährige Leonhard Riederer von Paar eines Tages in den väterlichen Betrieb einsteigen würde, war ihm schon früh klar. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der in einem Internat zur Schule ging, hat er seine gesamte Kindheit und Jugend auf dem Hof verbracht, nach der Schule und später nach der Uni mit angepackt. „Bei meinem Vater habe ich gesehen, wie viel Arbeit es war, den Betrieb dorthin zu bringen, wo er jetzt ist. Sieben-Tage-Wochen mit 15-Stunden-Schichten waren da keine Seltenheit. Da habe ich mir schon manchmal überlegt, ob ich das will, aber er hat das alles sehr gut hingebogen. Auch mithilfe unserer Mitarbeiter. Manche sind fast so lange hier wie ich. Jetzt haben wir ein paar neue Helfer eingestellt, die dann hoffentlich mit mir alt werden.“

Dass die aktuelle Zeit eine schwierige ist, merkt man auch auf dem Gutshof. Die in der Pandemie durch den neuen Onlineshop und einer gesteigerten Nachfrage zum Regionalen weitergeführten Umsätze gehen aktuell stark zurück. Doch Riederer von Paar sieht das optimistisch: „Es muss ja weitergehen. Zum Glück sind Regionalität und die Arbeit kleinerer Manufakturen trotz der aktuell schwierigen Phase immer noch viel gefragter als jemals zuvor. Das ist unsere Chance.“