„Mein Fleisch soll etwas Besonderes bleiben“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Metzgerei David

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Metzgerei David

Fasching, Fastelovend, Karneval. Wie auch immer man das jecke Treiben in den kommenden Tagen auch bezeichnen mag, eines kündigt es jedoch mit Pauken, Trompeten und viel Konfetti an: die nahende Fastenzeit. Wer es sich also auch abseits von der jeweils lokalen Bierspezialität noch einmal richtig gutgehen lassen will, greift oftmals zu einem schönen Stück Fleisch, natürlich vom lokalen Metzger. Doch was gibt es dabei noch an wirklich Besonderem zu entdecken? Metzgermeister Jürgen David aus der gleichnamigen Wormser Fleischerei hat die Antwort: Dry Aged Beef. Als einer der deutschen Pioniere dieser Art der Fleischbereitung, beherrscht er sein Handwerk und ebenso die Kunst des zeitgemäßen Marketings. Für uns gehört er zu den besten Erzeugern Deutschlands.

Bernsteinfarbenes Licht durchdringt den Raum. Hinter einem großen, einladenden Holztisch kommt es aus der Wand hervor. Rund vierhundert Salzsteinquader sind es, die das Zimmer durch rückseitig angebrachte Strahler indirekt beleuchten. Dass es sich bei ihnen um mehr als findig angebrachte Dekoration handelt, enthüllt ein Blick auf das, was hinter einer Glasscheibe zwischen Wand und Esstisch hängt: Rindfleisch in unzähligen Formen und Zuschnitten. Hier zum Trocknen und Reifen aufgehängt, wird aus ihnen mit etwas Zeit eine der zurzeit gefragtesten Fleischspezialitäten, das Dry Aged Beef. Mittlerweile ist es in aller Munde und liegt selbst, in durchaus fragwürdigen Qualitäten, in den Kühlregalen manch eines Discounters. Als Jürgen David vor 30 Jahren in den Familienbetrieb einstieg, rechnete noch niemand mit einer solchen Entwicklung.

Doch eigentlich ist die Trockenreifung eines der ältesten Konservierungsverfahren für das leicht verderbliche Lebensmittel Fleisch. Kühle, dunkle und an Salzstein reiche Höhlen, gab es schließlich schon Jahrmillionen, bevor moderne Kühlschränke erfunden wurden. Trotzdem erlebt das Verfahren nun seit einigen Jahren einen regelrechten Boom, der – wie so oft – aus den USA nach Europa und Deutschland gekommen ist. Dass hier einst Rindfleisch hin und wieder auch als „gut abgehangen“ angeboten wurde, kam zwar vor, aber zum Standardsortiment gehörte es nicht. Hier witterte der Metzgermeister einen Anknüpfungspunkt für seinen Betrieb und wurde so zu einem von Deutschlands bekanntesten Fleischverarbeitern, seine Produkte mit zu den begehrtesten. Doch das war nicht immer so.

Als David mit knapp 16 Jahren die Ausbildung als Metzger begann, tat er dies nicht aus eigener Passion heraus: „Ich habe es gehasst. Ich wurde in die Familiendynastie hineingeboren und habe immer eine unausgesprochene Generationenverpflichtung gespürt.“ Zu altbacken war der Vertrieb, zu wenig angesehen das Handwerk. Eigentlich wollte er nach der Ausbildung noch einmal neu anfangen und seinen lang gehegten Wunsch erfüllen, als Polizist zu arbeiten. Doch als sein Vater Ende der 90er schwer erkrankte, musste schnell eine Lösung für den zu jenem Zeitpunkt schon vier Generationen zurückreichenden Familienbetrieb gefunden werden. Pacht- und Kaufangebote gab es einige, wirklich zufriedenstellend waren sie weder finanziell noch emotional. Also entschied sich Jürgen David im Alter von 21 Jahren, die 1924 gegründete Metzgerei in fünfter Generation zu führen. Dass dies ihn ohne grundlegende Innovationen nicht glücklich machen würde, stand jedoch fest.

Betritt man heute den Verkaufsraum der Metzgerei im Wormser Stadtteil Hochheim käme wohl niemand auf die Idee, dass Davids Innovationsdrang fruchtlos geblieben wäre. Der elegante Reifeschrank beinhaltet die Produkte, die ihn zu einem weit über die Grenzen des Wonnegau bekannten Erzeuger gemacht haben. Adrett aufgereiht finden sich dort Fleischstücke in unterschiedlichen Reifestadien. Viele stammen vom knapp eine Autostunde entfernten Pfälzer Donnersberg. Hier stehen beinahe das ganze Jahr über Angus-, Shorthorn- und Limousin-Rinder auf den saftigen Weiden, auf denen sie nach Herzenslust grasen können; zugefüttert wird nur ein wenig Getreide aus eigener Produktion. Dass die Haltung dazu in natürlichen Herdenverbänden geschieht, in denen Mutterkühe ihre Kälber säugen dürfen, ist ein weiterer Faktor zum höheren Tierwohl. Um den Stress vor und bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten, erfolgt diese direkt auf dem Hof. „Das klingt mittlerweile zwar etwas abgedroschen, aber als wir angefangen haben, war es noch neu: Unseren Tieren soll es besser gehen“, sagt David. „Aber, und das geht mittlerweile auch oft etwas unter, nur weil es einem Tier besser geht, muss die Qualität seines Fleisches nicht zwingend auch besser sein. Deshalb legen wir auch so viel wert auf die Auswahl unserer Rinder.“

Fleisch, das nicht aus der entfernten Nachbarschaft stammt, bezieht Jürgen David von ihm bekannten Bio-Bauern aus Irland und Galicien: „Dort sind Themen wie Regionalität und Tierwohl schon allein strukturell viel enger in der Ernährungskultur verwurzelt. Lange Transportwege gibt es nicht, die Tiere werden bestmöglich gehalten und so stressarm wie möglich geschlachtet.“ Für das spätere Geschmackserlebnis ist die Herkunft des Fleisches natürlich essentiell, wenngleich sich der reine Geschmack eher durch das Zusammenspiel von Futter, den Bewegungsspielraum des Tieres und seine jeweilige Rasse definiert. Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist aber je nach Standort des Bauern unterschiedlich.

In der Metzgerei David ist Fleisch weit mehr als ein einfaches Lebensmittel für jeden Tag. Das Produkt, dessen Qualität und geschmackliches Potenzial werden hier bewusst und gekonnt in Szene gesetzt. Natürlich gibt es im Ladengeschäft auch eine Theke mit Wurstwaren und Co., aber das wahre Herz des Betriebs ist Davids eingangs beschriebene „Hall of Beef“, in der er den „David Style“, wie er seine Art der Produktion nennt, an interessierte Kunden bringt. In die modern gestalteten Räumlichkeiten mit ihren beleuchteten Reifeschränken, Sitzgelegenheiten und beinahe museal gehängten Fleisch-Fotografien lädt der Metzger regelmäßig ein, für Verkostungen, Seminare und Veranstaltungen aller Art. Ob man nun so weit gehen muss, die Hinwendung zum Dry-Aging als Rettung des Metzgereihandwerks in Deutschland zu bezeichnen, darf diskutiert werden. Jürgen David allerdings hat es geschafft, seinen eigenen Betrieb durch den ungewöhnlichen Zugang zum Beruf sowie zu seinem Produkt auf ein Level zu heben, das er sich hierzulande nur mit wenigen teilen muss. Das wissen auch die Kunden, die für seine Spezialitäten nicht selten lange Autofahrten und weite Umwege in Kauf nehmen. Einen Onlineshop gibt es nämlich nicht.

„Meine Frau Yvonne unterstützt mich, wo sie kann. Das macht für uns auch einen Familienbetrieb aus: Wir wollen nicht nur delegieren, sondern auch wirklich mit anpacken. In den letzten Jahren konnten wir uns verwirklichen, sind stark gewachsen und haben eine gewisse Reichweite erlangt. Irgendwann muss man sich da auch mal die Frage stellen, wie groß man eigentlich werden will, um nicht die eigene Kapazitätsgrenze zu überschreiten. Wenn etwas wie ein Onlineshop nicht über die Jahre organisch mitwächst, sondern von heute auf morgen eingeführt werden muss, ist das mindestens mit einem bedeutenden Mehraufwand verbunden. Außerdem neigen Menschen ja oft dazu, bei der zu einfachen Verfügbarkeit von Dingen, etwas das Interesse an ihnen zu verlieren. Aktuell sehe ich dafür noch keine Veranlassung. Da habe ich lieber ein paar Kunden weniger, die aber extra für mein Produkt einen Umweg mit dem Auto auf sich nehmen und dann hier ihre Kühltaschen voll machen. Mein Fleisch soll etwas Besonderes bleiben.“

Mittlerweile ist er 46 Jahre alt und kann auf die Frage, wie er sich heute in seiner einst verhassten Rolle als Metzger fühlt, mit einem deutlichen Lächeln in der Stimme antworten: „Ich bin zufrieden.“

metzgerei-david.de