„Eine Praline ist für mich ein kulinarisches Produkt“

Die besten Erzeuger Deutschlands: PARS Pralinen

TEXT Nick Pulina | FOTOS Timm Brockfeld/Pujan Shakupa

„Das ist ja viel zu schön, um es zu essen!“ – Ein Ausruf, der oft in Bezug auf ausgefeilte und optisch umschmeichelnde Kreationen der Spitzenküche fällt. In manch einem Restaurant hätte die konsequente Einhaltung dieser Aussage vielleicht zu einem erfüllenderen Abend geführt; anders ist das bei PARS Pralinen in Berlin Kreuzberg. Hier beweist Kristiane Kegelmann, dass es für optische wie kulinarische Höhenflüge gar kein ganzes Tellerarrangement braucht. Ihre Pralinen sehen aus wie kleine Kunstwerke, schmecken auch so und bieten dank raffinierter Kompositionen auch im Sommer ungeschmolzenen Genuss.

Die Schokoladenkreationen aus der Kreuzberger Manufaktur sind auch ohne metaphorische Überhöhung echte Kunstobjekte, zumindest wenn man es genau nimmt: Kegelmann ist nicht nur ausgebildete Pâtissière, sondern hat sich als Autodidaktin auch ein echtes Standing im Bereich der bildenden Kunst erarbeitet. Ihre oftmals großformatigen Installationen und Skulpturen sind von kühler, minimalistischer Schönheit und folgen einer Ästhetik des Abstrakt-Industriellen, nicht ohne einen gewissen Chic. Die Verbindung anorganischer, unflexibler Materialien mit Organischem wie Erde, Kohle, Kefir oder eben Schokolade ist eine der Grundideen von Kegelmanns Schaffen. Und so fügen sich auch ihre Pralinen als vergängliches Memento-Mori-Element nahtlos in das Portfolio ein.

Für deren Herstellung greift die 32-Jährige, die nach ihrer Ausbildung unter anderem eine leitende Position bei der Wiener Hofzuckerbäckerei Demel innehatte, ausschließlich Produkte von ihr bekannten, möglichst lokal ansässigen Erzeugern zurück. Walnüsse kommen von Vivian Böllersens Walnussmeisterei bei Neuruppin, Milchprodukte und Eier vom Erdhof Seewalde auf der Mecklenburgischen Seenplatte, Honig aus den Naturwaben der Berliner Bio-Imkerei Ulrich Beckmann. Dass sich Kakaopflanzen noch immer standhaft weigern, im brandenburgischen Umland zu gedeihen, ist dank der Zusammenarbeit mit dem Chocolatier Holger in’t Veld kein Problem. Er kennt die südamerikanischen Bauern ebenso gut wie die holländischen Händler und ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Herstellung hochwertiger Kuvertüren. Dass diese genau wie alle anderen Produkte, die Einzug in Kegelmanns Konfekt finden, fair gehandelt sein müssen, steht für die Pâtissière nicht zur Debatte.

Gute Produkte sind das eine, handwerkliches Können, Kreativität und Mut zum Experimentieren das andere. Kegelmann mangelt es an nichts davon. Klassische Pralinenkreationen à la Marc-de-Champagne-Trüffel oder Marzipankonfekt sucht man hier vergeblich. Der Anspruch ist kein geringerer als „die Neuerfindung der Praline“, wie Kegelmann selbst sagt: „Eine Praline ist für mich keine Süßigkeit, sondern ein eigenständiges kulinarisches Produkt, das auf viel mehr Ebenen spannend ist, als nur auf der der Süße. Es muss nicht immer eine cremige Ganache sein, eine Praline darf auch gern mal überraschen.“

Um das zu erreichen, beschäftigt sie sich bei ihrer Arbeit mit Konsistenzen, Intensitäten und Geschmacksverhältnissen. Gepaart mit ihrem über Jahre erarbeiteten Wissen und dem handwerklichen Talent einer ausgebildeten Konditorin entstehen dabei spannungsvolle Unikate mit teils gewagt erscheinenden Sorten. So bietet Kegelmann neben Hasel- und Walnussfüllungen auch exotischere Kreationen wie Pflaume mit Pflaumenblüte oder Gurke-Rose sowie Experimentelles mit Füllungen aus Miso, schwarzem Knoblauch oder Dillblüten an. Die Produktion von Nougat, Schokoladenbruch und Nussmus rundet das Sortiment ab.

Unser Tipp für eine stilvolle Abkühlung an den heißen Tagen: Kegelmanns Eiskonfekt. Im Gegensatz zu den Kokosfettbomben im Stanniolpapier ist der Name hier Programm. Pralinen wie geeiste Kirsche, geeister Waldmeister oder geeister Buchweizen sind eigens dafür produziert, im Gefrierschrank gelagert und nach wenigen Minuten des Antauens taufrisch verzehrt zu werden.

Dass Kegelmann nicht dem eigenbrötlerisch-scheuen Künstlerinnentypus angehört, zeigt sie momentan mit wöchentlichen Apéro-Veranstaltungen, auf denen es neben ihren Pralinen spannende Gäste und reichlich (Natur)Wein kennenzulernen gibt. Auch eine Popup-Weinbar in ihren Kreuzberger Räumlichkeiten gab es schon. Der nächste große Schritt ist bereits in Planung: ein eigenes Restaurant, in dem gehobene, aber lockere Produktküche und Wein Hand in Hand mit Kunst und PARS Pralinen gehen sollen. „Hier werden wir ganz anders mit den Pralinen experimentieren können. Dadurch dass sie nicht versendet werden müssen und frisch an den Gast gelangen, werden – gerade in Verbindung mit puristisch-präziser Küche und einer gewissen Portion Spontaneität – ganz neue Ideen umsetzbar.“ Die Eröffnung des in der Nähe des Charlottenburger Savignyplatzes liegenden Lokals ist für Mitte November angesetzt.

PARS Pralinen – Website