„Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt“

Die besten Erzeuger Deutschlands: Walnussmeisterei Böllersen

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TEXT Nick Pulina | FOTOS Andreas Friese

Wer am Bahnhof Berlin-Spandau in den RE6 steigt und nach Halt in Falkensee und Hennigsdorf schließlich aussteigt, steht in Velten. Die 12.000-Seelen-Stadt im brandenburgischen Landkreis Oberhavel liegt beschaulich inmitten der grünen, wasserreichen Landschaft des Ruppiner Seenlandes. Wen es auf seinem Spaziergang durch das Naturidyll auf die Veltener Luchwiesen verschlägt, der wird schnell eine Besonderheit bemerken. Nein, nicht die Schafe. Das heißt, die auch, aber es lohnt sich, den Blick weiter nach oben gleiten zu lassen. Er steht nämlich inmitten von Walnussbäumen. Der kleine Hain erstreckt sich auf viereinhalb Hektar und umfasst rund zweihundert Bäume verschiedener Walnusssorten. Betreut werden sie von Vivian Böllersen. Gemeinsam mit Ehemann Marcel und ihrem jungen Team betreibt sie hier ihre Walnussmeisterei, die für uns zu den besten Erzeugern Deutschlands gehört.

Wer in ländlichen Gefilden aufgewachsen ist, kennt ihn sehr gut: den Walnussbaum. Entweder stand er im eigenen Garten oder in dem des Nachbarn, nicht selten gab es auch noch einige Exemplare in der Nähe der öffentlichen Einrichtungen wie der Schule oder Kirche. Umso verwunderlicher ist es für uns Dorfkinder, wenn wir hören, dass weit über fünfzig Prozent der in Deutschland verarbeiteten und verzehrten Nüsse aus Übersee kommen. War die runde, braune Nuss mit dem charakteristisch hirnförmigen Kern doch gerade im Winter Bestandteil der Tischdekoration und vor allem des Nikolaustellers. Der Walnussanbau in Deutschland ist allerdings weitestgehend Privatsache, dezidierte Erzeugerinnen und Erzeuger gibt es nur wenige. Das will Vivian Böllersen ändern. In ihrer Walnussmeisterei vor den nördlichen Toren Berlins baut die studierte Öko-Landwirtin nicht nur erstklassige Nüsse an und stellt aus ihnen spannende Feinkostprodukte her, sondern wirbt auch für einen aktiven Austausch und Kooperation mit Nussbauern in ganz Deutschland.

„Es war mir ein Rätsel, wie es sein konnte, dass wir hier in Deutschland überall Walnüsse wachsen haben, im Supermarkt aber immer nur ausländische zu bekommen waren“, erinnert sich Böllersen. „Ich habe mich dann gefragt, ob das nur für die Region Berlin/Brandenburg galt, in der ich zu Hause war und bin, oder ob es im ganzen Land so ist. Und es war so. Es existierten einfach kein wirkliches Wissen und keine Daten darüber, wie mit dem Walnussanbau umzugehen ist.“ In den 1980ern habe es mal eine kleine Welle an einigen Interessierten Landwirten gegeben, um die sei es jedoch aufgrund der geringen Kommunikationsmöglichkeiten recht schnell wieder stiller geworden. Das ist heute, dank Internet, Social Media und den allseits präsenten Ernährungstrends, anders. Denn wer sich vegetarisch oder gar vegan und trotzdem gesund ernähren will, ist auf reichhaltige Eiweißquellen angewiesen. Da sind Walnüsse mit ihren 15-20 Gramm Protein pro 100 Gramm ein echter Hit.

Als die gebürtige Berlinerin im Jahr 2015 im Alter von 28 Jahren den Grundstein für ihre Walnussmeisterei legte, hätte sie wohl nicht besser nicht vorbereitet sein können: An das Abitur schloss ein Studium der Ökologischen Landwirtschaft und Vermarktung in Eberswalde an, gefolgt von einem Masterabschluss in Öko-Agrarmanagement. Dass sie diesen auch noch mit einer Thesis über das Potenzial des deutschen Walnussanbaus des Jahres 2014 erlangte, ließ bereits Gutes erahnen für das noch in der Planungsphase befindliche Projekt. Nach einigen kleineren Anlaufschwierigkeiten, die sich hauptsächlich um die Beschaffung von geeigneten Landflächen drehten, konnte es also endlich losgehen. Das Land, auf dem Böllersen ihre Bäume hegt, befindet sich zwar im Eigentum einer Genossenschaft, nutzen darf sie es allerdings weitestgehend nach Herzenslust und zeitlich unbegrenzt. Und sollte dereinst eines ihrer zwei Kinder den mütterlichen Betrieb übernehmen wollen, wäre sogar das machbar. Doch das ist Zukunftsmusik, als Nächstes steht erst einmal die Fertigstellung eines anderen Projekts an: der Knackhalle.

„Bis wir uns Mitte 2020 unsere eigene Knackmaschine gekauft hatten, sind wir immer mit unseren Nüssen zu einem uns gut bekannten Betrieb in der Nähe von Stuttgart gejuckelt und haben da kiloweise Nüsse geknackt. Das war einerseits zwar gut, weil wir so einen ständigen und produktiven Austausch hatten, andererseits ist es aber natürlich besser, wenn wir immer frisch knacken können, wenn gerade Bedarf ist.“ Um diese Knackmaschine herum wird nun ein modernes Gebäude gezogen, das nicht nur mehr Platz und bessere Anfahrtsmöglichkeiten bietet, sondern zeitnah auch mit einer Hackschnitzelheizung ausgestattet werden soll. So können die Nussschalen, die Böllersen bisher noch als Mulch auf ihren Flächen verteilt, effektiv und klimaneutral zum Heizen verwendet werden.

Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit stehen für die Landwirtin ohnehin fast an erster Stelle. Warum fast? Das ist auf ihrer Webseite nachzulesen: „Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt, dicht gefolgt von der Walnuss natürlich und unseren ökologischen Ansprüchen.“ Und am Ende geht sowieso alles Hand in Hand. Seit 2022 ist ihr Betrieb samt Vermarktung bio-zertifiziert, ihre Anbauflächen sind es sogar schon um einiges länger. „Auf der Fläche ist es für mich eine Frage der Überzeugung. Und wenn man sowieso schon alles ökologisch und naturnah bewirtschaftet, dann liegt die Zertifizierung ja nahe. Im vertrieblichen Bereich ist es natürlich auch eine Marketingangelegenheit. So erschließe ich mir auch neue Kundenfelder, sei es in Bio-Supermärkten oder weiterverarbeitenden Betrieben, die ebenfalls bio-zertifiziert sind.“

Wer selbst einmal in den Genuss der aromatischen Produkte der Walnussmeisterei kommen will, kann das auf vielfältige Weise tun. Diejenigen, die nicht in unmittelbarer Nähe wohnen, bestellen am besten bequem im Onlineshop. Wen es aber doch einmal nach Brandenburg verschlägt, kann sich direkt im hauseigenen Hofladen mit den süßlich-herben Köstlichkeiten eindecken. Aber Achtung! Zwar wachsen die Walnussbäume auf den Wiesen nahe Velten, der eigentliche Betrieb samt Ladengeschäft befindet sich allerdings im knapp eine halbe Autostunde entfernten Herzberg (Mark), wo Vivian Böllersen auch mit ihrer Familie lebt. Und keine Sorge: Der Weg lohnt sich. Sei es für das herrlich duftige Walnussöl, die verführerisch gebrannten oder schokolierten Nusskerne oder – am allerbesten – das pure Produkt.

Da die Walnussmeisterei rund 30 verschiedene Sorten im Portfolio hat, bietet sich für die echten Feinschmecker natürlich auch eine Sortenverkostung an. Seien wir mal ehrlich, wer hat je auf die Sorte seiner Walnüsse geachtet? Hier nimmt Vivian Böllersen Ihre Kundinnen und Kunden gern an die Hand und erklärt Interessierten die Welt der Walnuss, die Bedingungen ihrer Aufzucht und vor allem das geschmackliche Spektrum der zahlreichen Sorten.

walnussmeisterei.de