10 Fragen an… Joachim Wissler

INTERVIEW Ursula Macher | FOTO Klammer/laif 

Seine Auszeichnung – fünf rote Hauben im aktuellen Gault&Millau Restaurantguide 2022 – vergleicht er mit einem Tagessieg mit Bergetappe bei der Tour de France. Und auch nach 35 Jahren ist die Lust auf Kreativität des Ausnahmekochs, der seit 20 Jahren im „Vendome“ auf Schloss Bensberg für kulinarische Hochgenüsse sorgt, ungebrochen. Joachim Wissler, 59, über Siege und Niederlagen, Home-Cooking und seine Erwartungen an die Küche der Zukunft.

Herr Wissler, vor knapp einem Monat haben Sie fünf rote Hauben, die absolute Höchstbewertung, verliehen bekommen. Beschreiben Sie bitte den Moment, das Gefühl.

Es war ein sehr schöner Tag in Berlin, an dem ich diese Bewertung im aktuellen Gault&Millau 2022 bekommen habe. Auszeichnungen sind immer etwas Besonderes, nie selbstverständlich. Und für ein Team eine großartige Bestätigung. Es ist ein überwältigendes Gefühl für mich und alle die daran mitgearbeitet haben.

Sie kochen nunmehr seit mehr als 30 Jahren auf höchstem Niveau, seit 20 im Vendome. Was bedeuten da Auszeichnungen und was Rückschläge? Was spornt Sie mehr an?

Zu jedem erfolgreichen Menschen gehören auch Rückschläge. Wichtig ist es, die Erkenntnisse daraus zu ziehen und diese in Zukunft zu vermeiden. Mein Naturell und meine Herkunft waren schon immer meine Antriebsfeder, um nun schon 35 Jahre lang in meinem Beruf erfolgreich zu sein.

Sie betreiben in Ihrer Freizeit Sport. Ist Kochen Leistungssport und wenn ja, womit zu vergleichen?

Kochen ist ein Leistungssport auf einer ganz außergewöhnlichen Ebene. Seine Höchstleistung muss man täglich unter Beweis stellen. Einen Rekord als Läufer hält man beispielsweise so lange, bis einer kommt, der schneller ist. Ein großer Unterschied.

Womit würden Sie, auf sportlicher Ebene, die 5 roten Hauben also vergleichen?

Mit einem Tagessieg mit Bergankunft bei der Tour de France.

In der Küche – was ist die Arbeit, die Sie am meisten lieben?

Am meisten liebe ich, Neues zu schaffen und kreativ zu sein.

Und was mögen Sie am wenigsten?

Das Administrative, das täglich anfällt, würde ich am liebsten delegieren, geht nur leider nicht immer. Aber ich arbeite daran.

Kochen Sie auch privat? Für die Familie, für Freunde?

Ich koche an meinen freien Tagen mit der Familie fast immer in Kooperation mit meiner Frau. Sie macht die Vorbereitungen und darf sich auch wünschen, was es zum Essen geben soll.

Sie haben einmal in einem Interview gesagt: „Provokation findet nicht nur am Gaumen statt. Man muss die Menschen manchmal auch aus ihrer heilen Welt wachrütteln, damit sie Dinge probieren, die sie im Normalfall nicht probieren würden“. Angesichts der vielen Entwicklungen in diese Richtung – wie unterscheidet sich der Gast heute von dem vor 20 Jahren?

Der Gast ist durch die Möglichkeit, auf unserem Kontinent schnell von A nach B zu reisen, auch kulinarisch mündiger geworden. Das ist grundsätzlich eine Entwicklung, die sich auf das Facettenreichtum meines Berufes positiv niedergeschlagen hat. Dass ich in meinem Restaurant schon von Anfang an mit Zutaten wie Innereinen arbeite, liegt daran, dass ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin. Diese Küche mag in der Vergangenheit auch als provokant erschienen sein, inzwischen gehört sie zu meiner DNA als Koch und wie ich in der Öffentlichkeit gesehen werde.

Wie hat sich Covid und die lange Genuss-Abstinenz auf Ihre Arbeit ausgewirkt? Wie erleben Sie die Gäste? Ungeduldiger oder einfach glücklicher?

Der Gast ist nach der Wiedereröffnung der Gastronomie nach der Pandemie jedenfalls dankbarer geworden. Wobei uns der Neustart viel abverlangt hat und es noch eine ganze Zeit tun wird.

Die Küche in zehn Jahren – wie wird sie sein?

Ich kann nicht sagen, was in 10 Jahren sein wird. Auch nicht, was die Entwicklung unserer Küche betrifft. Jedenfalls wir es immer einen großen Chef geben, der der Welt kulinarisch etwas zu sagen hat. Allerdings werden wir Köche eine völlig neue Verantwortung unserem Planeten gegenüber erlernen müssen – und diese der nächsten Generation vorleben.