10 Fragen an … Judith Wohlfarth, Produzentin des Jahres 2023I24

Transparenz ist wichtiger als jedes Siegel

Jetzt teilen

INTERVIEW Nick Pulina | FOTO birdyfoto

‚Silva’, das bedeutet ‚Wald‘ auf Lateinisch. Judith Wohlfarth hatte guten Grund, ihr Hofgut im badischen Oberkirch-Hesselbach genau so zu nennen. Denn im Gegensatz zu den allermeisten anderen Tierzuchtbetrieben gibt es hier keine großen, planen Ackerflächen, keine riesigen Hallen für die Tierhaltung, keine unnatürliche Tristesse. Stattdessen tummeln sich Wohlfarths Tiere ganz frei zwischen Streuobstwiesen und Kastanienbäumen, einem lebendigen kleinen Flüsschen und inmitten zahlreicher Hügel und Erhebungen. Schweine sind es, die die 36-Jährige hier züchtet. Genauer gesagt rund 200 Schweine der alten englischen Rassen Tamworth und Berkshire. Seit Wohlfarth, eigentlich gelernte Bankkauffrau, den Hof im Jahr 2008 gemeinsam mit ihrer Mutter gegründet hat, ist ihr Großes gelungen. Mit der herausragenden Qualität ihres Schweinefleisches hat sie so manch einem Spitzenkoch bewiesen, dass dieses noch immer eher verpönte Produkt ein Potenzial hat, dass jeder Gourmetküche würdig ist – solange es mit viel Hingabe, Können und Zeit produziert wurde. Mit uns spricht Wohlfarth über die Beziehung zu ihren Tieren, die Vorzüge des Simplen und ein gesundes Misstrauen gegenüber jedem Siegel.

1. Was haben eine Bankerin und eine Bäuerin gemeinsam?
Das wirtschaftliche Denken hilft mir jeden Tag dabei, meinen Betrieb zu führen.

2. Schweinefleisch hat gerade in der Spitzenküche nicht gerade den besten Ruf. Woran liegt das?
Das Fleisch, das Köche für ihre Restaurants haben möchten, kann nur von sehr kleinen Produzenten in kleinem Maßstab produziert werden. Außerdem wollen Köche das Fleisch ja auch immer schon in die passenden Stücke zerlegt haben. Da bleibt man dann schnell auf den Resten sitzen, Wurst möchten sie ja meistens nicht haben. Bei mir klappt das nur, weil wir nebenher noch eine Metzgerei haben, in der wir unsere Produkte vertreiben können. Außerdem züchte ich relativ viele Schweine. Wir schlachten rund zweihundert Stück im Jahr. Für einen normalen Betrieb ist das fast gar nichts, aber für jemanden, der auf Qualität, Tierwohl etc. Wert legt, ist das schon eine große Produktion.

3. Fällt es Ihnen schwer, das Fleisch Ihrer Tiere zu essen?
Nein, für mich gehört zum Leben auch das Sterben dazu. Der Tod in der freien Natur ist oft viel grausamer als wenn wir die Tiere gut schlachten. Seit wir das selber vornehmen, also seit Mai 2021, läuft dabei alles genau so, wie ich mir das vorstelle: ruhig, nicht allzu früh am Tag, immer von demselben Personal ausgeführt. Wenn es mal etwas länger dauert, dann ist es eben so. Die Tiere kriegen ihre Zeit, damit alles möglichst ‚entspannt‘ über die Bühne geht.

4. Haben Sie ein Lieblingsschwein?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt immer wieder Tiere, an denen man mehr hängt als an anderen, aber das ändert ja nichts. Früher hatte ich mal ein Lieblingsschwein. Aber auch davon konnte ich mich trennen.

5. Wie schmeckt Ihre Kindheit?
Die schmeckt nach Spaghetti und Tomatensoße, nicht nach besonders einzigartigem Schweinefleisch (lacht). Spaghetti gibt es heute auch noch oft bei uns.

6. Und wie möchten Sie, dass die Kindheit Ihrer Kinder schmeckt?
Bei meiner einen Tochter schmeckt sie auch nach Spaghetti, aber mit Sahnesoße. Viele andere Dinge isst sie auch nicht. Die andere ist ein Staubsauger (lacht). Ihre Kindheit schmeckt nach fast allem. Ich möchte natürlich, dass sie sich gesund ernähren und solche Dinge lernen, aber sie sind jetzt eineinhalb und vier Jahre alt. Da kocht man halt, was sie mögen und freut sich, dass sie überhaupt etwas essen.

7. Haxe oder Krustenbraten?
Haxe.

8. Bratensoße oder pur?
Pur.

9. Haben Sie eine kulinarische ‚unpopular opinion‘?
Ich weiß nicht, wie unpopulär das ist, aber: „Keep it simple but good“. Ich verstehe diese übelst komplizierte Küche nicht mit ihren tausend Tüpfelchen und Blättchen, die man mit einer Pinzette arrangiert. Da kann man doch sowieso nicht alle Komponenten schmecken. Ja, Essen muss lecker und ansprechend sein, dafür reichen aber auch gute Ausgangsprodukte.

10. Was möchten Sie noch sagen?
Egal, wo ihr euer Fleisch kauft, guckt euch immer die Höfe vor Ort an. Transparenz ist wichtiger als jedes Siegel und jede Werbung. Und das gilt sowohl im Supermarkt als auch in der Metzgerei.

Lesen Sie auch: Die besten Erzeuger Deutschlands: Hofgut Silva – „Transparenz ist wichtiger als jedes Siegel“