10 Fragen an … Douce Steiner, Köchin des Jahres 2023I24

„Ich bin glücklich, so ein Food-Junkie zu sein“

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INTERVIEW Nick Pulina | FOTO birdyfoto

Seit Jahren führt sie die Riege deutscher Spitzenköchinnen an, von vielen wird sie als beste Köchin Deutschlands betitelt. Nun wurde Douce Steiner mit der Auszeichnung zur Köchin des Jahres 2023I24 im neu erschienenen Gault&Millau-Restaurantguide endgültig in die Riege von Deutschlands herausragendsten Köchinnen und Köche aufgenommen. Ihren Landgasthof Hirschen in Sulzburg hat Steiner in einen einzigartigen Gunstort verwandelt: den Blick in der Tradition ihres Vaters Paul fest über den nahen Rhein nach Frankreich gerichtet, voller südlicher Leichtigkeit und badischem Eigensinn. Hier verzaubert sie ihre Gäste mit zarten, präzise gekochten Gerichten, die bei aller Leichtigkeit und Klarheit immer mit dem gewissen „Kick“, wie sie es selbst nennt, daherkommen. „Ein Gericht soll ein Aha-Erlebnis erzeugen.“

Mit uns spricht Steiner über die Ursprünge ihres Freiheitsdrangs, die Liebe zum Genießen und warum allzu ambitionierte Köche lieber die Finger von Butter und Käse lassen sollten.

1. Frau Steiner, womit lässt sich Ihr Job am ehesten vergleichen?
Nach so vielen Jahren Selbständigkeit würde ich mich am ehesten als einen Coach bezeichnen. Einen Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich damit, das Team mental zu fördern und zu motivieren, mit unseren Gästen zu kommunizieren, ihre Bedürfnisse zu verstehen, Lieferanten und Handwerker zu koordinieren, mit Händlern zu sprechen, den wöchentlichen Einkauf zu machen, Bestellungen aufzulisten, und so weiter. Es sind tausend Dinge und immer haben diese Dinge mit Menschen zu tun.

2. Wie schmeckt Ihre Kindheit?
Meine Kindheit schmeckt frei. Ich war immer unterwegs, als Kind schon. Dadurch bin ich zwar immer zu spät überall hingekommen und habe dafür Ärger bekommen, aber das war es mir wert. Ich bin relativ früh selbständig aufgewachsen, weil meine Eltern arbeiten mussten, wir sind ja erst nach Sulzburg gezogen, als ich acht war. Mit sechs Jahren, bin ich zum Beispiel mal von der Schule heimgekommen, habe mir fett Lippenstift ins ganze Gesicht geschmiert, mich umgezogen und bin mit meinem Roller los, weil Karneval war. Da bin ich dann erst abends um acht wieder nach Hause gekommen, als es dunkel wurde. Statt in den Kindergarten zu gehen, bin ich auch mal gegenüber in die Kirche gegangen und habe da gevespert. Solche Dinge habe ich ziemlich oft „angestellt“.

3. Sie werden als herausragende Spitzenköchin immer wieder zu Ihrer Sicht auf den emanzipatorischen Stand der Branche befragt. Ist Geschlecht in Ihrer Küche ein Thema?
Überhaupt nicht. Für mich ist der Charakter das Allerwichtigste, egal ob Mann oder Frau.

4. Wie steht es im Allgemeinen um die deutsche Spitzengastronomie?
Ich habe das Gefühl, dass es eigentlich ganz gut um sie steht. Gerade die Spitzengastronomie ist zurzeit sehr gefragt. Man hört zwar auch von vermeintlichen Einbrüchen, aber – da kommt jetzt mein innerer Psychiater raus – ich glaube, dass das gar keine Einbrüche sind. Stellen wir uns das doch mal vor: Drei Jahre lang gab es Chaos, Restaurant zu, Restaurant auf. Wenn es offen war, war es auch überall richtig voll. Dann musste wieder zugemacht werden, man konnte nicht unbeschwert reisen. Dieses Jahr scheint alles wieder normal, auch die Stimmung. Die Menschen sind wieder fröhlich, es gibt überall in Deutschland Straßenfeste, Weinfeste, Konzerte und auch das Reisen ist wieder möglich. Meiner Meinung nach war in Gastro und Einzelhandel hauptsächlich weniger los, weil alles andere auch wieder erlaubt war. Das Leben hat sich einfach normalisiert. Vielleicht ist das auch gesund für die Branche. Durststrecken gab es schon immer. Waren wir das vielleicht nicht mehr gewohnt?

5. Können Sie noch zum reinen Vergnügen essen gehen?
Ja, ich liebe Essengehen! Ich mache das auch gar nicht, zum Beobachten, Schauen oder Kritisieren, allein zum Genießen. Bedient werden, gutes Essen und guten Wein genießen, interessante Gespräche führen – Ich liebe das. Es gibt so viele gute Küchen. Das kann von einer bis fünf Hauben sein, das ist ein gutbürgerliches Restaurant oder auch einfach ein schönes Vesper mit guten Produkten. Wichtig ist nur, dass es frisch gemacht ist und gute Produkte drinstecken.

6. Sind Kollegen für Sie die schlimmsten Gäste?
Nein, gar nicht. Ganz im Gegenteil, da bin ich entspannt. Ich freue mich sogar darüber. Und in dem Zuge haben mich auch die Reaktionen meiner Kollegen auf die Auszeichnung als Köchin des Jahres unglaublich gefreut. Mir war gar nicht bewusst, was das für eine große Begeisterung wecken würde, ich bin da eher zurückhaltend. Ich habe so viele Worte, Gesten und Feedbacks erhalten, und damit auch das Gefühl, dass alle diese Auszeichnung mit mir miterleben. Das hat mir sehr viel gegeben!

7. Welches Produkt mögen Sie überhaupt nicht?
Puh, ich esse eigentlich alles gern, wenn es gut gemacht ist. Ich kann mal meinen Mann

Ihren Co-Koch Udo Weiler…

fragen (lacht). Ah jetzt weiß ich was: Sauerkraut und Linsen. Ich esse es zwar, aber selber kochen würde ich es bei mir in der Küche nicht.

8. Und was darf im privaten Kühlschrank niemals fehlen?
Wein und Champagner!

9. Was ist Ihre kulinarische „unpopular opinion“?
Ich würde nie auf die Idee kommen, eine Butter schaumig zu schlagen oder sie irgendwie zu aromatisieren. Und Käsegerichte sind auch ein No-Go für mich. Wenn also zum Beispiel jemand statt eines klassischen Käsegangs vom Käsewagen ein warmes Käsegericht, eine Terrine oder so etwas, schickt. Für mich haben Butter und Käse so einen hohen Stellenwert, dass sie einfach so sein dürfen, wie sie sind. Gut temperiert, ein Stück Baguette und höchstens eine frische Birne oder Trauben dazu – alles andere brauche ich nicht.

10. Was möchten Sie uns noch sagen?
Ich bin wirklich glücklich darüber, so ein Kultur, Wein und Essen liebender Food-Junkie zu sein. Wer sich dafür nicht begeistern kann, hat echt etwas verpasst im Leben.